Die Corona-Krise hinterlässt in der Südthüringer Tourismuswirtschaft tiefe und nachhaltige Spuren. Die Saisonumfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK) Südthüringen zeigt, dass sich mit den Lockerungen die Geschäftssituation über die Sommermonate entspannt hat. Doch die erneuten Teil-Schließungen im November und die daraus resultierende Planungsunsicherheit und fehlende Perspektive spitzen die Lage weiterhin zu. „In der Krise hat die Unternehmerschaft dieser heterogenen Branche unerschütterlichen Optimismus und Mut bewiesen. Jetzt braucht es schnelle, wirksame und passgenaue Hilfen“, fordert Dr. Ralf Pieterwas, Hauptgeschäftsführer der IHK Südthüringen.

First in – last out
Mit 15 von 200 möglichen Punkten befindet sich besonders das Konjunkturklima der Reisebranche auf einem historischen Tiefpunkt. Die Reisebüros und Reiseveranstalter sind durch die hohe Zahl der Stornierungen der Urlaubsreisen und fehlenden Provisionen bzw. Verpflichtungen gegenüber Subunternehmern wirtschaftlich schwer getroffen. Langfristig wird sich die Branche nachhaltig verändern. „Der erste Lockdown traf uns hart – die gegenwärtige Situation ist allerdings ein Schuss vor den Bug“, berichtet Franziska Weber aus Steinach. Sie ist Geschäftsführerin und Inhaberin des Omnibusunternehmens und Reisebüros Weber Reisen in dritter Generation. „Wenn wir weiterhin auf Sicht fahren müssen, werden wir nicht überleben können. Mit Ausblick auf einen Impfstoff ist die Reiselust der Deutschen wieder entflammt. Jetzt ist die Politik gefordert.“

Die Unsicherheit in der Gastronomie ist groß
Auch die Gastronomen mussten während des Lockdowns im Frühjahr ihre Gaststätten fast vollständig schließen – lediglich der Außerhausverkauf war möglich. Die Konsequenz daraus war, dass der Konjunkturklimaindikator, der sich aus Lage- und Erwartungsbeurteilungen zusammensetzt, um 32,5 auf 74,7 Punkte sank. Damit ist er im kritischen Bereich angekommen. 34 Prozent der Befragten schätzten ihre aktuelle Lage als schlecht ein, 67 Prozent verzeichneten einen deutlichen Umsatzrückgang. „Die Unsicherheit in der Gastronomie ist groß. Die Soforthilfe und Mehrwertsteuersenkungen haben den Gastronomen im Frühjahr geholfen. Umso wichtiger ist es, die angekündigte Novemberhilfe schnell und unbürokratisch auszuzahlen, um dringend benötigte Liquidität zu sichern“, sagt Dr. Peter Traut, Inhaber der Wacholderschänke Hildburghausen und Präsident der IHK Südthüringen.

Planbarkeit in der Hotellerie fehlt
Differenziert ist die Situation im Beherbergungsgewerbe zu bewerten: 70 Prozent der befragten Unternehmen gaben an, im Befragungszeitraum von April bis September 2020 eine gute oder saisonübliche Geschäftslage zu haben. Die Ertragslage schätzten allerdings 68 Prozent schlechter ein als im Vorjahr. „Mit den Lockerungen konnten wir ab Mitte Juli eine hohe Auslastung erzielen und Rücklagen bilden. Wir haben vor der Wiedereröffnung sehr viel in aufwendige Hygienekonzepte und Schutzmaßnahmen für unsere Gäste und Mitarbeiter investiert. Erneute Schließungen folgten dennoch im November. Düster zeigt sich die Situation für Beherbergungsbetriebe im Segment der Tagungshotels: Wegen abgesagter Veranstaltungen, ausbleibenden Gäste und fehlender Einnahmen kämpfen viele ums schiere Überleben. Insbesondere die persönlichen Schicksale der Mitarbeiter dürfen nicht aus dem Blick geraten“, kommentiert Marcel Gerber, Inhaber des AKZENT Aktiv & Vital Hotels in Schmalkalden.

Erneuter Lockdown bremst Südthüringer Tourismuswirtschaft vollständig aus
Die staatliche Unterstützung der Tourismuswirtschaft ist weiterhin zwingend notwendig, um die Tourismus-Branche am Leben zu erhalten. „Nur unbürokratische und zügig auf den Weg gebrachte Hilfen sind zielführend. Eine andauernde Fahrt auf Sicht zerstört die Branche. Den Ausweg aus der Krise sichern langfristige Planungen und passgenaue Kompensationshilfen“, sagt IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Ralf Pieterwas.

Zur Information:
Basis der Angaben ist eine repräsentative Umfrage der IHK Südthüringen, die im September 2020 unter Südthüringer Tourismusbetrieben durchgeführt wurde. Zur IHK Südthüringen mit 27.500 Mitgliedsunternehmen gehören auch ca. 1.800 Unternehmen aus der Tourismusbranche. Der vollständige Saisonbericht Tourismus ist unter www.suhl.ihk.de abrufbar.

Suhl, 24. November 2020