Berufsschulnetzplanung hinterlässt gemischte Gefühle
IHK Südthüringen: Planungsprozess der verpassten Chancen
In den letzten zwei Jahren wurde in ganz Thüringen um das neue Berufsschulnetz ab dem Schuljahr 2022/2023 gerungen. Nun liegen die Bescheide in den Schulverwaltungen der Landkreise vor und erzeugen gemischte Gefühle.
Verpasste Chance: Wenn Corona etwas Positives bewirkt hat, dann ist es eine erkennbare Beschleunigung der Digitalisierung – auch im Bildungsbereich. Leider atmet das vorliegende Berufsschulnetz noch immer die Luft der Frontalbeschulung. Die Chance, durch digitale Lernmethoden den Mangel an Berufsschullehrern vornehmlich in der Fläche auszugleichen und Berufsschulangebote somit in der Fläche zu sichern, wurde im zweijährigen Planungsprozess seitens des Bildungsministeriums erneut komplett verpasst.
Verpasste Chance: Innovative Ansätze des Planungsprozesses, wie das Modell der Schwerpunktschulen oder Öffnungen von Schulbezirken zu den Berufsschulen wurden nicht zu Ende gedacht und letztlich wieder aufgegeben. Sie hätten durchaus den Charme gehabt, sinnvolle Zentralisierungen ohne Aufgabe von Standorten und Einführung von Wettbewerbskomponenten in die Berufsschule zu leisten.
Verpasste Chance: Dem Ansinnen des Bildungsministeriums, abgestimmte Berufsschulnetzplanungen in den Bildungsregionen zu entwickeln und diese ganzheitlich umzusetzen, konnte Südthüringen einmal mehr nicht entsprechen. Sowohl die Moderation des Prozesses durch die Wirtschaftskammern scheiterte an fehlender Innovationsbereitschaft einiger Landkreise und der Stadt Suhl. Auch der folgende Versuch, durch bilaterale Absprachen zwischen den Gebietskörperschaften zum Ziel zu kommen, führte bedauerlicherweise in Südthüringen erneut nicht zum Erfolg.
Somit blieben wie gehabt nur die direkten Kanäle zum verantwortlichen Ministerium. Viele Hinweise der Kammern und aus den Gebietskörperschaften fanden bei der neuen Berufsschulnetzplanung dennoch Berücksichtigung. Erfreulich ist, dass auf Initiative der Industrie- und Handelskammer (IHK) Südthüringen die Wiedereinrichtung eines Fachschulstandortes für Fachinformatiker in Südthüringen unterstützt wird. Ebenso ist die Neueinrichtung eines Fachklassenstandortes für Automobilkaufleute in Meiningen bei ausreichenden Schülerzahlen geplant.
„Im Saldo haben wir wieder Berufsschulklassen in der Fläche verloren, wie die Fachklassen für Zerspanungs- und Werkzeugmechaniker in Hildburghausen. Dies ist gerade für den durch die Metallindustrie geprägten Wirtschaftsraum ein sehr schlechtes Signal“, erklärt Dr. Ralf Pieterwas, Hauptgeschäftsführer der IHK Südthüringen.
Der Berufsschulnetzplanung fiel auch die Fachklasse für Kaufleute für Groß- und Außenhandelsmanagement in Suhl zum Opfer. Für die genannten Entscheidungen wurden zu geringe Schülerzahlen sowie zukünftig fehlende Lehrkräfte als Begründung angeführt. „In diesem Zusammenhang bleibt zu hoffen, dass die Kaufleute für Büromanagement am Schulstandort Ilmenau aufgrund zu geringer Klassengröße nicht ebenfalls umgelenkt werden. Hier können wir in den nächsten Wochen nur abwarten, ob sich die einzelnen Gebietskörperschaften mit den aktuellen Bescheiden einverstanden erklären“, so Dr. Ralf Pieterwas. Letztlich wird erneut wieder nur der Klageweg bleiben, um den gröbsten Schaden von der Region fernzuhalten.
„Für eine zukunftsfähige, auf die Strukturveränderungen vorbereitete Wirtschaftsregion in Südthüringen ist es wichtig, dass ein angebotsorientiertes Berufsschulnetz in der Fläche Raum für die Entwicklung von Fachkräften bietet. Das muss es uns in Thüringen wert sein, da der südthüringische Wirtschaftsraum seine Attraktivität als Lebens- und Arbeitsraum ansonsten nur schwerlich halten, geschweige denn entwickeln kann“, schließt der Hauptgeschäftsführer ab. „Gemeinsam planen und digital beschulen: Das müssen die Prämissen künftiger Berufsschulnetzplanungen sein.“
Suhl, 3. Dezember 2021
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