Standortbedingungen unter Stress

Umfrage der Thüringer IHKs zu den Konjunktur-Risiken 2024

Die Wirtschaft in Thüringen blickt mit Sorge auf das neue Jahr. Dies ist das Ergebnis einer Umfrage der Thüringer Industrie- und Handelskammern (IHKs). Die Mischung aus hohen Energiepreisen, einer Wirtschaftspolitik, die die Binnennachfrage erheblich beeinträchtigt und fehlenden Mitarbeitern, führt zu miserabler Stimmung. Die schwache Wirtschaftsentwicklung der vergangenen Monate dürfte sich im Jahr 2024 fortsetzen.

„Nach der Wiedervereinigung konnten die Standorte in Thüringen mit verkehrsgünstiger Lage, niedrigen Betriebskosten und einer guten Verfügbarkeit ausgebildeter Fachkräfte aufwarten. Abgesehen von der Geografie ist in den letzten Jahren alles ins Rutschen geraten. Angesichts der konjunkturellen Entwicklung müsste die Politik die Nachfrage stärken. Die Senkung von preiswirksamen staatlichen Abgaben wäre angesichts der hohen Inflation das Gebot der Stunde. Außerdem sind die Angebotsbedingungen zu verbessern. Ein schlanker Staat wäre attraktiv für Investoren und Fachkräfte. Weder das eine noch das andere steht insbesondere in Berlin auf der Agenda“, erklärt Dr. Ralf Pieterwas, Hauptgeschäftsführer der IHK Südthüringen.

Die Zeiten günstiger Energie sind seit der deutschen Reaktion auf den russischen Krieg in der Ukraine vorbei. Die Kosten-Krise, die von der Politik weiter angeheizt wurde, schloss sich nahtlos an die Einschränkungen in der Corona-Pandemie an. 2024 droht der Thüringer Wirtschaft das fünfte Jahr in Folge unter Stress. Derzeit werten 68 Prozent der Unternehmen die Energiepreise als das größte Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung. Besonders hoch fällt die Besorgnis im Verkehrsgewerbe mit 86 Prozent der Unternehmen, im Gastgewerbe mit 78 Prozent und in der Industrie mit 76 Prozent aus.

Zugleich wächst der Personalnotstand in den Thüringer Firmen. Angesichts der schwachen wirtschaftlichen Entwicklung wäre betriebswirtschaftlich eigentlich eine atmende Personalpolitik geboten. Tatsächlich können sich dies die meisten Unternehmen nicht leisten, weil einmal bestehende Lücken dauerhaft bestehen bleiben. Die Probleme bestehen inzwischen in allen Teilen Deutschlands, schreiten aber in Thüringen wegen der starken Alterung besonders zügig voran. Daher bewerten 57 Prozent der Unternehmen Fachkräftemangel als konjunkturelles Risiko. Die größten Defizite erkennen derzeit das Verkehrsgewerbe mit 72 Prozent der Unternehmen, das Baugewerbe mit 69 Prozent und das Gastgewerbe mit 64 Prozent.

In Zeiten steigender Preise halten die Verbraucher das Geld zusammen. Auch die Nachfrage nach Industrie-Gütern bleibt verhalten. Die Inlandsnachfrage stellt daher für 54 Prozent der Unternehmen ein Risiko dar. In der Industrie und im Handel konstatieren zwei von drei Unternehmen Nachfragerisiken, im Baugewerbe 63 Prozent.

Verursacher vieler dieser Herausforderungen und Risiken ist die Wirtschaftspolitik. Sie folgt nicht gesamtgesellschaftlichen Interessen, sondern betreibt Stimmenmaximierung innerhalb der eigenen Klientel. Für 59 Prozent der Unternehmen stellt die Wirtschaftspolitik daher inzwischen ein Zukunftsrisiko dar – in einem der reichsten Industrieländer der Erde mehr als außergewöhnlich. Doch viele Unternehmen befürchten, dass der von ihnen erwirtschaftete Wohlstand des Landes von der Politik verspielt wird. Insbesondere das Verkehrsgewerbe mit 79 Prozent, das Gastgewerbe mit 64 Prozent und die Banken mit 62 Prozent signalisieren Sorge und Betroffenheit.

Hinweis: Die Umfrage zu den Risiken für die wirtschaftliche Entwicklung der nächsten zwölf Monate fand vom 11. September bis 2. Oktober 2023 in ausgewählten Thüringer Unternehmen statt. An der Umfrage beteiligten sich 890 Unternehmen.

Suhl, 8. Januar 2024

Dr. Jan Pieter Schulz
Dr. Jan Pieter, Schulz
Referent Volkswirtschaft

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