Frühjahrsbelebung bleibt aus

Konjunkturumfrage Frühsommer 2024 der IHK Südthüringen

Frühling ist die Zeit des Aufbruchs. Umso ärgerlicher ist es, wenn es nicht voran geht. Immer neue Indikatoren für einen Aufschwung werden daher präsentiert, doch die traurige Wahrheit ist, dass die Wirtschaft in Deutschland das zweite Jahr in Folge stagniert. Noch trüber ist das Bild in Südthüringen. Die Erwartungen sind wie zuletzt im Keller. Zusätzlich hat sich die Geschäftslage deutlich verschlechtert. Hohe Kosten und ausbleibende Nachfrage verhageln insbesondere der Industrie, aber auch den anderen Branchen die Geschäfte. Dies zeigt die Konjunkturumfrage Frühsommer 2024 der Industrie- und Handelskammer (IHK) Südthüringen.

Die Wachstumsprognose der Bundesregierung wurde kürzlich nach oben korrigiert. Statt um 0,2 Prozent soll die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr um 0,3 Prozent wachsen. Beide Werte bedeuten gleich viel, nämlich Stillstand. Immerhin muss es Regionen in Deutschland geben, in denen Wachstum stattfindet. Südthüringen gehört nicht dazu. Die hiesigen Unternehmen erwarten vielmehr, dass ihre Umsätze preisbereinigt um fünf Prozent sinken werden. Mit besonders hohen Umsatzeinbußen rechnen die Industrie, der Handel und das Gastgewerbe.

Damit ist das wesentliche Problem umrissen, das zwei von drei Unternehmen umtreibt: Es fehlt an Nachfrage. Gestiegene Kosten für Energie, für die Bewältigung der Bürokratie, für steigende Löhne und für zunehmende Lohnnebenkosten relativieren frühere Standortvorteile Südthüringens.

Zugleich halten die Verbraucher ihr Geld zusammen und sehen von größeren Anschaffungen ab. Die Inflation und die Unsicherheit über künftige Ausgaben machen sich im Handel bemerkbar. Auch im Gastgewerbe fehlen Gäste, weil der Winter nur ein kurzes Gastspiel gab und die Politik eine befristete Senkung der Umsatzsteuer nicht verstetigte.

Die Wirtschaft braucht Impulse von außen
„In den vergangenen fünf Jahren haben multiple Krisen die Wirtschaft überall auf dem Kontinent durchgeschüttelt. Während aber in der EU zwischen dem vierten Quartal 2019 und dem ersten Quartal 2024 das BIP um 3,9 Prozent zunahm, waren es in Deutschland lediglich 0,3 Prozent. Dieser Befund lenkt den Blick auf die Wirtschaftspolitik, die die Unternehmen deutschlandweit als Standortrisiko beschreiben. Auf die Agenda der Bundesregierung müssen endlich die wirklichen Herausforderungen des Landes: Bürokratieabbau, aktive Investitionsförderung und Planungsbeschleunigung“, fordert Dr. Ralf Pieterwas, Hauptgeschäftsführer der IHK Südthüringen. Die Wirtschaft vermisst seit Langem die Empathie der Politik für deutsche Unternehmen.

Für die Südthüringer Wirtschaft müssen die Impulse von außen kommen, denn die Krise hat sich tief in den Standort gefräst. Der Konjunkturklimaindikator, der sich als geometrischer Mittelwert aus den Lageeinschätzungen und den Geschäftserwartungen der Unternehmen errechnet, erreicht 71,5 von 200 möglichen Punkten. Zum Jahreswechsel 2023/2024 waren es 65,0 Punkte, vor einem Jahr jedoch 89,0 Punkte. Tatsächlich bedeuten weniger als 100 Punkte, dass sich die Mehrheit der Unternehmen in schlechter Verfassung befindet. Zuletzt wurden vor fünf Jahren mehr als 100 Punkte erreicht.

Industrie: nur noch 9 Prozent sind mit der Lage zufrieden
Aktuell bewerten 21 Prozent der Unternehmen ihre Lage als gut und 41 Prozent als saisonüblich bzw. befriedigend. Besser als dieser Durchschnitt fällt die Beurteilung im Handel, im Baugewerbe und in der Dienstleistungswirtschaft aus. Sorge bereitet, dass in der Industrieregion Südthüringen nur noch neun Prozent der Industriebetriebe eine gute Geschäftslage melden. Auch im Gast- und Verkehrsgewerbe fällt die Lagebeurteilung verheerend aus.

Unternehmerischer Erfolg bemisst sich in der Gewinnerzielung. Dauerhafte Verluste stellen hingegen das Signal des Marktes dar, dass sich Geschäftsmodelle nicht mehr tragen. Derzeit erwirtschaften 37 Prozent der Unternehmen Gewinne, während 22 Prozent Verluste machen. Im Gast- und Verkehrsgewerbe sowie bei wissenschaftlichen und technischen Dienstleistern arbeiten jeweils 41 Prozent mit Verlust. Auch in der Industrie und im Handel schreibt jedes fünfte Unternehmen rote Zahlen.

In den kommenden Monaten rechnen nur sechs Prozent der Unternehmen mit besseren Geschäften. Weitere 50 Prozent erwarten eine Fortsetzung auf dem aktuellen Niveau und 44 Prozent eine erneute Verschlechterung. Besonders pessimistisch sind Handel und Verkehrsgewerbe. Im Baugewerbe und in der Industrie gibt es erste Anzeichen, dass noch in diesem Jahr die Talsohle erreicht werden könnte.

Neue Stellen auf dem Prüfstand
So lange sich die Abwärtsentwicklung fortsetzt, werden nur im Einzelfall neue Stellen geschaffen. Die Beschäftigungsschwelle für einen gesamtwirtschaftlichen Stellenaufbau liegt bei einem BIP-Wachstum von ca. 1,5 Prozent. Stattdessen werden Standorte auf den Prüfstand gestellt. Schließungen wie in Brotterode und Judenbach oder Verkleinerungen wie im Schweinfurter Raum bleiben daher auf der Agenda. Nur die zunehmende Alterung der Belegschaften bewirkt, dass für jedes zweite Unternehmen Fachkräfteengpässe auf der Tagesordnung bleiben. Mit wachsenden Beschäftigtenzahlen rechnen nur acht Prozent der Unternehmen, weitere 73 Prozent erwarten stabile Mitarbeiterzahlen.

Ebenfalls verhalten sind die Investitionserwartungen. 64 Prozent der Unternehmen planen in den kommenden Monaten Investitionen, die sich in erster Linie auf Ersatz und Modernisierung ausrichten. Ein großes Thema bleibt die Kostensenkung durch mehr Effizienz bei Abläufen und im Materialeinsatz. Hier planen 22 Prozent Investitionen.

Zeiten mit geringerer Nachfrage werden außerdem verstärkt für die Entwicklung neuer Produkte, Verfahren und Dienstleistungen genutzt. Daher planen 18 Prozent Innovationsinvestitionen. Besonders innovativ sind die Dienstleister mit einem Anteil von 28 Prozent und Industriebetriebe mit 21 Prozent. Solche Aktivitäten bringen den Standort voran, weil sie im Aufschwung neue Nachfrage nach Südthüringen lenken werden.

Zur Information: Die Konjunkturumfrage der IHK Südthüringen fand vom 2. bis 28. April 2024 statt. Befragt wurden rund 900 Südthüringer Unternehmen aller Branchen. Die Rücklaufquote erreichte 37,4 Prozent.

Suhl, 13. Mai 2024

Dr. Jan Pieter Schulz
Dr. Jan Pieter, Schulz
Referent Volkswirtschaft

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