Betriebsratsvorsitzender darf kein Datenschutzbeauftragter sein

Der Vorsitz im Betriebsrat steht einer Wahrnehmung der Aufgaben des Beauftragten für den Datenschutz typischerweise entgegen und berechtigt den Arbeitgeber in der Regel, die Bestellung zum Datenschutzbeauftragten nach Maßgabe des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) in der bis zum 24.05.2018 gültigen Fassung zu widerrufen. So entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Urteil vom 06.06.2023, Az. 9 AZR 383/19. Personenbezogene Daten dürfen dem Betriebsrat nur zu Zwecken zur Verfügung gestellt werden, die das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) vorsieht.   

Der Sachverhalt

Der bei der Beklagten angestellte Kläger ist Vorsitzender des Betriebsrats und in dieser Funktion teilweise von der Arbeit freigestellt. Mit Wirkung zum 1. Juni 2015 war er von der Beklagten und weiteren in Deutschland ansässigen Tochtergesellschaften zum Datenschutzbeauftragten bestellt worden.

Am 1. Dezember 2017 widerriefen die Beklagte und die weiteren Konzernunternehmen auf Veranlassung des Thüringer Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit die Bestellung des Klägers wegen einer Inkompatibilität der Ämter mit sofortiger Wirkung. Nach Inkrafttreten der EU-Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) beriefen sie den Kläger vorsorglich als Datenschutzbeauftragten ab.

Der Kläger war der Ansicht, seine Rechtsstellung als betrieblicher Datenschutzbeauftragter der Beklagten bestehe unverändert fort. Die Beklagte war hingegen der Auffassung, Interessenkonflikte bei der Wahrnehmung der Aufgaben als Datenschutzbeauftragter und Betriebsratsvorsitzender ließen sich nicht ausschließen. Die Unvereinbarkeit beider Ämter stellten einen wichtigen Grund zur Abberufung des Klägers dar. Die Gerichte der Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Auf die Revision der Beklagten hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) das Berufungsurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Gründe

Der Widerruf der Bestellung war aus wichtigem Grund gerechtfertigt. Solch ein wichtiger Grund liegt vor, wenn der zum Beauftragten für den Datenschutz bestellte Arbeitnehmer die für die Aufgabenerfüllung erforderliche Fachkunde oder Zuverlässigkeit nicht mehr besitzt. Die Zuverlässigkeit kann in Frage stehen, wenn Interessenkonflikte drohen. Ein abberufungsrelevanter Interessenkonflikt ist etwa anzunehmen, wenn der Datenschutzbeauftragte innerhalb einer Einrichtung eine Position bekleidet, die die Festlegung von Zwecken und Mitteln der Verarbeitung personenbezogener Daten zum Gegenstand hat. Dabei sind alle relevanten Umstände des Einzelfalls zu würdigen. Diese vom Europäischen Gerichtshof (EuGH), Urteil vom 09.02.2023, Az. C-453/21, zu einem Interessenkonflikt vorgenommene Wertung gilt nicht erst seit Novellierung des Datenschutzrechts aufgrund der DS-GVO, sondern entsprach bereits der Rechtslage im Geltungsbereich des BDSG.

Die Aufgaben eines Betriebsratsvorsitzenden und eines Datenschutzbeauftragten können demzufolge typischerweise nicht durch dieselbe Person ohne Interessenkonflikt ausgeübt werden. Personenbezogene Daten dürfen dem Betriebsrat nur zu Zwecken zur Verfügung gestellt werden, die das BetrVG ausdrücklich vorsieht. Der Betriebsrat entscheidet durch Gremiumsbeschluss darüber, unter welchen konkreten Umständen er in Ausübung seiner gesetzlichen Aufgaben welche personenbezogenen Daten vom Arbeitgeber fordert und auf welche Weise er diese anschließend verarbeitet. In diesem Rahmen legt er die Zwecke und Mittel der Verarbeitung personenbezogener Daten fest. Inwieweit jedes an der Entscheidung mitwirkende Mitglied des Gremiums als Datenschutzbeauftragter die Einhaltung der gesetzlichen Pflichten des Datenschutzes hinreichend unabhängig überwachen kann, bedurfte hier keiner abschließenden Entscheidung. Jedenfalls die hervorgehobene Funktion des Betriebsratsvorsitzenden, der den Betriebsrat im Rahmen der gefassten Beschlüsse vertritt, hebt die zur Erfüllung der Aufgaben eines Datenschutzbeauftragten erforderliche Zuverlässigkeit auf.

Holger Fischer
Referent Recht

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