Energiepolitik: Warnschuss endlich ernst nehmen

Fehlende Planbarkeit und Bürokratie bremsen Transformation und gefährden Standort

Das Vertrauen der deutschen Wirtschaft in die Energiepolitik ist auf einen Tiefpunkt gesunken. Dies zeigt das diesjährige Energiewende-Barometer der IHK-Organisation, an dem sich auch Südthüringer Unternehmen beteiligt haben. Die Sorgen der Unternehmen um die Wettbewerbsfähigkeit sind immens. Die Auswirkungen der Energiewende wurden von den Unternehmen bundesweit noch nie schlechter bewertet. Bundesweit urteilten 52 Prozent der Unternehmen, dass sich die Energiewende sehr negativ oder negativ auf das eigene Geschäft auswirkt, in Südthüringen waren es sogar 64 Prozent.

Insbesondere fehlende Planbarkeit und Verlässlichkeit in der Energiepolitik (62 Prozent), Fachkräftemangel (39 Prozent) und zu viel Bürokratie (49 Prozent) geben die Südthüringer Unternehmen als Hindernisse für ihre Transformationsbemühungen an. Die Unternehmen fühlen sich durch diese Faktoren ausgebremst.

Regulatorische Vorgaben aus der Politik werden in immer kürzeren zeitlichen Abständen auf den Weg gebracht, sodass den Unternehmen kaum Zeit dafür bleibt, die Maßnahmen geordnet umzusetzen. Ein Beispiel ist das Gebäudeenergiegesetz, das in Kürze verabschiedet werden soll, obwohl das europäische Pendant derzeit ebenfalls überarbeitet wird. Somit droht in Deutschland in absehbarer Zeit wieder eine Novellierung. Dazu kommt, dass die Vorgaben immer komplexer werden und teilweise in der Praxis gar nicht umzusetzen sind. Laut der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) sind die Einsparziele des Energieeffizienzgesetzes dafür ein Beispiel: Niemand kann sagen, wie die Ziele ohne ein Herunterfahren der Produktion erreicht werden können.

Deutsche Energiepolitik schwächt den Standort
Die Unsicherheiten der Unternehmen zur künftigen Energiepolitik führen auch dazu, dass Unternehmen ihre Investitionstätigkeit zurückfahren. Den politischen Entscheidungsträgern sollte zu denken geben, dass für mehr als 40 Prozent der Unternehmen die Auswirkungen der hohen Energiepreise auf Investitionen einem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens am Standort gleichkommen.

Für 44 Prozent der Südthüringer Unternehmen bedeuten die hohen Preise sogar ein Zurückstellen von Investitionen in Kernprozesse. Wenn aber nicht mehr in Kernprozesse investiert wird, stehen Investitionen in Klimaschutzmaßnahmen erst recht nicht auf der Agenda und das langfristige Überleben der Thüringer Unternehmen steht auf dem Spiel.

So nehmen auch die Pläne deutlich zu, dem Standort Deutschland den Rücken zu kehren. Etwa 17 Prozent der Südthüringer Unternehmen planen oder realisieren die Verlagerung von Kapazitäten ins Ausland beziehungsweise die Einschränkung ihrer Produktion im Inland. Im Bundesschnitt erwägen 32 Prozent aller Industriebetriebe eine Verlagerung von Kapazitäten ins Ausland beziehungsweise die Einschränkung ihrer Produktion im Inland – ein Zuwachs von 16 Prozentpunkten, also eine Verdopplung, gegenüber dem Vorjahr.

Weitere Informationen zum Energiewendebarometer 2023 finden Sie auf der Website der DIHK

Suhl, 31. August 2023

Tilo Werner
Abteilungsleiter Innovation und Umwelt | International

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