Arbeitsschutzkontrollgesetz gefährdet Fleischbetriebe in Südthüringen

IHK Südthüringen kritisiert Gesetzentwurf als realitätsfern und für die Region nicht angemessen

Zeitarbeiter und Werkvertragsbeschäftigte soll es künftig in der Fleischwirtschaft nicht mehr geben. Das Bundeskabinett hat einen Gesetzentwurf zum Arbeitsschutzkontrollgesetz ausgearbeitet. Mitte Dezember wird der Bundestag zur Beschlussfassung aufgerufen. Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Südthüringen befürwortet sowohl Zeitarbeit als auch Werkverträge. Die Forderung der Kammer: zumindest Zeitarbeit soll erhalten bleiben.

Das Arbeitsschutzkontrollgesetz sieht vor, Zeitarbeit ab dem 1. April 2021 zu verbieten. Darüber hinaus verpflichtet es Betriebe zu weiteren Meldepflichten an die Zollverwaltung. Tritt das Gesetz in Kraft, wird Zeitarbeitern zukünftig das Schlachten oder Zerlegen in fleischverarbeitenden Betrieben untersagt sein. Werkverträge dürfen ab dem 1. Januar 2021 nicht mehr abgeschlossen werden. Diese staatlich angeordneten Maßnahmen greifen für Wurst- und Fleischwaren-Hersteller ab 50 Beschäftigten – und damit für die typischen Südthüringer Unternehmen.

Faire Löhne, angemessene Unterkünfte, keine prekären Arbeitsverhältnisse für Arbeiter in der Fleischindustrie - um all diese Ansprüche zu gewährleisten, hat die Politik im Jahr 2017 die Zeitarbeit reguliert. Warum soll Zeitarbeit jetzt abgeschafft werden? Hier werden Partei- und Gewerkschaftsprogramme aus den Siebzigerjahren umgesetzt, ohne auf die längst veränderte Situation in der Zeitarbeit zu reagieren“, argumentiert IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Ralf Pieterwas gegen den Gesetzentwurf.

Brandmarkung von Branchen mit Zeitarbeit

Nach Einschätzung der IHK Südthüringen könne die Wirtschaft ein Verbot von Werkverträgen im Bereich der Fleischproduktion noch verkraften, zumal Werkverträge in unseren Betrieben kaum eine Rolle spielen. Doch ein Verbot von Zeitarbeit trifft die Branche direkt ins Mark. „Ein Wegfall von Zeitarbeitnehmern innerhalb des prägenden Saisongeschäfts mit Grillprodukten kann aufgrund des hohen Arbeitsaufkommens nicht kompensiert werden “, gibt der IHK-Chef zu bedenken.

Der Gesetzentwurf enthält zwar eine dreijährige Übergangsfrist, aber nur wenn die Gewerkschaften zustimmen, können Zeitarbeiter noch für drei weitere Jahre unter bestimmten Auflagen ihre Arbeit verrichten. Die IHK hält diese Übergangsfrist für einen Pseudo-Kompromiss. „Wir gehen davon aus, dass die Zeitarbeit zum Frühjahr 2021 zum Erliegen kommt. Die Gewerkschaften werden kaum zustimmen oder hohe Gegenforderungen erheben“, meint Dr. Pieterwas.

Zustände in nordrheinwestfälischen Großindustriebetrieben lassen sich nicht auf hiesige Betriebe übertragen, denn hier zeigt sich ein komplett anderes Bild. Das für Arbeitsschutz zuständige Thüringer Landesamt für Verbraucherschutz attestiert den heimischen Unternehmen eine nahezu beanstandungsfreie Produktion. Fleischbetriebe in Südthüringen sind im Durchschnitt eher mittelständisch. Sie konkurrieren demnach mit den örtlichen Handwerksbetrieben. Und die werden nicht reguliert. Nach derartigen Einwänden vonseiten der Wirtschaft will sich der Bundestagsabgeordnete Tankred Schipanski (CDU) dafür einsetzen, dass die Bedenken der Wirtschaft in parlamentarischen Verfahren berücksichtigt werden. Die Arbeitsgemeinschaft Werkverträge und Zeitarbeit prüft derweil eine Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz. Der Grund: Verstoß gegen verfassungs- und europarechtliche Grundrechte und Grundsätze.

Suhl, 11. Dezember 2020

Jan Scheftlein
Abteilungsleiter Standortpolitik | Existenzgründung und Unternehmensförderung

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