Die Binnennachfrage macht‘s

Konjunkturbericht Jahresbeginn 2020 der IHK Südthüringen

Die jüngste Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammer Südthüringen (IHK) liefert ein geteiltes Bild. Während sich im Gastgewerbe und in der Dienstleistungswirtschaft der von der starken Binnennachfrage getragene Aufschwung fortsetzt, ist die Stimmung in der Industrie im Keller. Die verbreiteten Fachkräfteengpässe könnten jedoch dazu beitragen, dass die meisten Arbeitsplätze erhalten bleiben und die Beschäftigung auf dem aktuellen Niveau verbleibt. Wichtig ist, dass die bestehenden internationalen Handelskonflikte bald gelöst werden und der Export wieder zum Wachstumstreiber wird.

Aus den Lage- und Erwartungseinschätzungen der Unternehmen errechnet die IHK Südthüringen einen Konjunkturklimaindikator. Dieser steigt gegenüber der Umfrage Herbst 2019 geringfügig um 0,8 Punkte auf 98,3 Punkte. Die Stimmung der Unternehmen verbesserte sich in erster Linie im Erwartungsbereich. Gegenwärtig bewerten 39 Prozent der Unternehmen die Geschäftslage als gut, weitere 44 Prozent als saisonüblich. Für die kommenden Monate erwarten 10 Prozent bessere Geschäfte, weitere 60 Prozent keine Veränderung.

„Deutschlandweit hat der Export seine tragende Rolle verloren. Internationale Handelskonflikte bremsen den Absatz von Industriegütern. Dies ist vor allem in den Regionen mit hoher industrieller Wertschöpfung zu spüren. Wann hier eine Wende eintreten wird, hängt momentan stark von politischer Opportunität im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf ab. Erfreulich schlägt indes aber die starke heimische Nachfrage der Endverbraucher zu Buche. Der hohe Beschäftigungsstand und die gute Einkommensentwicklung ermöglichen Konsum auf hohem Niveau“, erklärt Dr. Ralf Pieterwas, Hauptgeschäftsführer der IHK Südthüringen.

Hohe Investitionsneigung und weiterhin gute Verfassung des Arbeitsmarktes
Als stark industriell geprägter Standort sind Probleme auf den internationalen Märkten direkt oder indirekt über Zuliefererbeziehungen überall in Südthüringen spürbar. Gleichwohl bleiben die gesamtwirtschaftlichen Investitionsplanungen stabil auf hohem Niveau. 79 Prozent der Unternehmen planen für 2020 Investitionsprojekte. Gegenüber früheren Umfragen sinkt der Anteil der Erweiterungsinvestitionen. Im Vordergrund stehen stattdessen Modernisierungs- und Ersatzmaßnahmen. Auch die Innovationsinvestitionen nehmen erfreulicherweise zu. Ist die Schlagzahl etwas geringer, wächst der Raum für Neues: Produkte, Verfahren und Abläufe, die sich im nächsten Aufschwung auszahlen.

Normalerweise würde man in der aktuellen konjunkturellen Situation auch Arbeitsmarkteffekte erwarten. Tatsächlich planen derzeit nur 6 Prozent der Unternehmen einen wachsenden Personalbestand, während 18 Prozent mit dem Rückgang der Zahl der Mitarbeiter rechnen. Aber der Arbeitsmarkt ist geräumt. Für 68 Prozent der Unternehmen stellt das Fehlen von qualifizierten Beschäftigten ein erhebliches Geschäftsrisiko dar. „Die IHK Südthüringen erwartet daher, dass die Freisetzung von Fachkräften die Ausnahme bleiben wird. Wer jetzt entlässt, unterstützt die Wettbewerber“, so Dr. Pieterwas.

Blick in die Branchen
Ähnlich wie in der Gesamtwirtschaft ergibt sich auch für den Konjunkturklimaindikator der Industrie eine Seitwärtsbewegung auf nunmehr 84,9 Punkte. Die Auftragslage hat sich seit dem letzten Jahr lediglich für 8 Prozent der Unternehmen verbessert, für 52 Prozent ist sie unverändert. Für 40 Prozent ist der Auftragsbestand dagegen zu klein, 45 Prozent berichten von Auftragsrückgängen im Vergleich zum Vorjahr. Die Inlandsnachfrage ist etwas stärker als die Auslandsnachfrage gesunken. Immerhin erreichen aber 65 Prozent der Unternehmen eine Kapazitätsauslastung im Normalbereich mit einem Auslastungsgrad von 80 Prozent und mehr.

Im Baugewerbe tritt Normalisierung ein. In den vergangenen drei Jahren hatte die Branche mit einer bislang nicht gekannten Auftragslage zu tun. Fachkräfteengpässe verhinderten eine starke Expansion. Stattdessen berichtete zeitweise jedes zweite Unternehmen von vollen Auftragsbüchern bis vier Monate und mehr im Voraus. Gegenwärtig ist dieser Anteil auf 35 Prozent gesunken, da es weniger Aufträge im Gewerbebau gibt. Trotzdem ist die Marktmacht der Branche noch sehr hoch. Jedes zweite Unternehmen strebt daher in diesem Jahr Preiserhöhungen an.

Die Stimmung der hiesigen Einzelhändler hat sich verbessert, da das Weihnachtsgeschäft, Vollbeschäftigung und steigende Einkommen für gute Geschäfte sorgen. Zurückhaltender entwickeln sich der Großhandel mit vielen Kunden aus dem produzierenden Gewerbe und der Kfz-Handel.

Im Verkehrsgewerbe erreichen lediglich 75 Prozent der Unternehmen einen Auslastungsgrad ihres Fuhrparks von mindestens 70 Prozent. In den vergangenen zehn Jahren haben durchschnittlich 82 Prozent der Unternehmen diesen Wert erreicht. Die Branche berichtet von einer hohen Kostenbelastung, für jedes zweite Unternehmen hat sich die Ertragslage verschlechtert. 40 Prozent der Unternehmen wollen auf den Nachfragerückgang mit Preissenkungen reagieren.

Im Gastgewerbe setzt sich der seit zwei Jahren laufende Boom fort. Insbesondere der Beherbergungsbereich profitiert von der Stärkung der Binnennachfrage und dem Trend zum Deutschland-Urlaub.

Die konjunkturelle Entwicklung der Dienstleistungswirtschaft beruht vor allem auf der Binnennachfrage. Teile der Branche sind auf gewerbliche bzw. öffentliche Kunden spezialisiert, während für andere der Endverbraucher im Fokus steht. Die Branche reagiert insgesamt weniger sensibel auf konjunkturelle Schwankungen als die Gesamtwirtschaft. Gegenüber der Vorumfrage hat sich in nahezu allen Zweigen der Dienstleistungswirtschaft die Stimmung verbessert. Mehr Unternehmen berichten von einer verbesserten Auftragslage. Vor allem im Grundstücks- und Wohnungswesen sowie für freiberufliche, wissenschaftliche und technische Dienstleister nahm zuletzt die Nachfrage zu.

Suhl, 19.02.2020

Dr. Jan Pieter Schulz
Referent Volkswirtschaft

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