Zugespitztes Pandemiegeschehen zerstört wirtschaftliche Erfolge

Konjunkturbericht Herbst 2020 der IHK Südthüringen

Die Wirtschaft in Südthüringen erwartet keine schnelle Rückkehr auf den Wachstumspfad. Zwar hat die heimische Wirtschaft einige Fortschritte gemacht, um sich vom Lockdown im Frühjahr zu erholen. Trotzdem befindet sich aktuell jedes dritte Unternehmen in einer schlechten Geschäftslage. Auch der Geschäftsausblick ist negativ. Das Corona-Virus bleibt das Hauptrisiko für die wirtschaftliche Entwicklung, wie die Konjunkturumfrage Herbst 2020 der Industrie- und Handelskammer (IHK) Südthüringen ergibt. Deshalb warnt die IHK Südthüringen vor einem zweiten zentralen Lockdown.

Gegenwärtig bewerten 34 Prozent der Unternehmen ihre Geschäftslage als schlecht, weitere 39 Prozent als saisonüblich und 27 Prozent als gut. Für die kommenden Monate erwarten 13 Prozent bessere Geschäfte, 49 Prozent keine Veränderung und 38 Prozent eine Verschlechterung. Aus den Lage- und Erwartungseinschätzungen der Unternehmen errechnet die IHK Südthüringen den Konjunkturklimaindikator. Er beträgt 83,6 Punkte von 200 maximal möglichen Punkten. Vor einem Jahr wurden 97,5 Punkte erreicht.


„Unser Indikator befand sich bereits vor einem Jahr unter der 100-Punkte-Schwelle. Damals sprachen wir von schwächerem Welthandel, zunehmender Unsicherheit auf den Märkten und der Autobranche im technologischen Umbruch. Alle Druckpunkte von damals sind noch da – und dazu das Corona-Virus. Die gerade begonnene Erholung steht angesichts der politischen Reaktionen auf das zugespitzte Pandemiegeschehen auf der Kippe. Ein zweiter zentraler Lockdown muss unbedingt vermieden werden, sonst droht der wirtschaftliche Zusammenbruch. Regionale, kleinräumige Einschränkungen müssen ausreichen“, erklärt Dr. Ralf Pieterwas, Hauptgeschäftsführer der IHK Südthüringen.


Auftragsrückgang im Baugewerbe
Eine Vielzahl der Südthüringer Industriebetriebe sind Automobilzulieferer. Deren Schwäche schlägt sich in den Ergebnissen nieder, die allerdings nicht einheitlich sind. So verfügen 41 Prozent der Industriebetriebe über einen hohen oder ausreichenden Auftragsverlauf, während für die restlichen 59 Prozent die Güternachfrage täglich großen Schwankungen ausgesetzt ist.  Der auf die nächsten Monate ausgerichtete Auftragseingang lässt keine zügige Verbesserung der Lage erwarten. So berichten nur 12 Prozent der Unternehmen von gestiegenen Aufträgen, 73 Prozent hingegen von Auftragsverlusten im Vergleich zum Vorjahr.

Ähnlich ist das Bild für das Baugewerbe, in dem ein mehrjähriger Boom schockartig über Nacht beendet wurde: Lediglich 5 Prozent melden eine Zunahme der Aufträge, 61 Prozent müssen hingegen Auftrags-einbußen hinnehmen. Der mehrmonatige Auftragsvorlauf von 68 Prozent der Unternehmen hält die Krise zwar auf Abstand, doch neue lukrative Aufträge aus dem gewerblichen Bereich sind derzeit Fehlanzeige.

Anders sieht es im Wohnungsbau aus. Der Wirtschaftszweig mit der besten Stimmung in Südthüringen ist gegenwärtig das Grundstücks- und Wohnungswesen. 120,6 Punkte erreicht der Konjunktur-klimaindikator dieser Branche, die unter anderem Eigenheime vermittelt und handelt. Wenn es dieser Branche gut geht, gibt es beim Endverbraucher keine Krise, doch leider vielfach irrationale Sorgen vor Ansteckung. Der Internethandel boomt, während jeder zweite stationäre Einzelhändler von einer gesunkenen Ausgabefreudigkeit der Kunden berichten. Bislang sind für 40 Prozent der Händler die Umsätze im Vergleich zum Vorjahr gesunken, lediglich für 20 Prozent ergaben sich Umsatzsteigerungen. Die Hoffnungen ruhen nun auf dem Weihnachtsgeschäft. Saisonale Erwartungen bestimmen auch andere Branchen. Im Verkehrsgewerbe fahren etliche Südthüringer Unternehmen im Baustellenverkehr. Davon gibt es im Winter weniger, daher schwächt sich die Stimmung ab. Auch für das Gastgewerbe ist Winter nicht mehr gleichbedeutend mit Hüttenzauber, sondern eher mit Heizstrahler vor der Tür. Während die Beherbergungsunternehmen vom Deutschlandtourismus zuletzt profitiert haben, fehlen vielen gastronomischen Betrieben die Gäste. Jede zweite Südthüringer Gaststätte schreibt rote Zahlen.

„Wir haben es in der Hand: sowohl was das Virus angeht, als auch was unsere Nahversorger betrifft. Jedes Prime-Paket ist ein Sargnagel für den heimischen Einzelhandel. Und auch wenn wir Abstand wahren, sollten wir unser Lieblingslokal nicht vergessen. Südthüringen ist bisher gut durch die Pandemie gekommen. Also können wir uns ab und zu etwas gönnen und gleichzeitig dafür sorgen, dass unsere Heimat auch nach der Pandemie noch so viele sympathische Einzelhandelsgeschäfte und Gaststätten hat wie zuvor“, so Dr. Pieterwas.


Hauptrisiko: Binnennachfrage unter Corona
Das wirtschaftlich wichtigste Risiko in diesem Herbst ist aus Sicht von 71 Prozent der Unternehmen das Corona-Virus. An zweiter Stelle folgt mit einem Anteil von 63 Prozent die Binnennachfrage. Gemeint sind hier nicht nur die Endverbraucher, die sich nicht trauen, sondern die Geschäftsbeziehungen der heimischen Wirtschaft insgesamt. Die meisten Unternehmen arbeiten ausschließlich für Kunden im Inland, der Außenhandel ist – von Ausnahmen abgesehen – weniger bedeutsam.
An dritter Stelle schließlich folgen mit einem Unternehmensanteil von 52 Prozent die Fachkräfteengpässe. Der Evergreen früherer Umfragen tritt angesichts von Kurzarbeit und Einsparungen im Personalbereich etwas zurück. Doch es gilt: Das Corona-Virus hat keinen Einfluss auf die demografische Entwicklung. Ebenfalls rückläufig ist angesichts der wirtschaftlichen Abschwächung die Investitionsneigung. Lediglich 67 Prozent der Unternehmen planen Investitionen. Die Anreize für ein größeres Engagement bestehen erst dann wieder, wenn die Wirtschaft wieder anzieht.

Dafür allerdings sollte die Politik Voraussetzungen schaffen. Wichtig ist, dass niemand durchs Raster fällt, solange die Wirtschaft nur auf Sparflamme läuft. Daher sollte im Rahmen der Überbrückungshilfe auch ein Unternehmerlohn gefördert werden. Zudem kommt es darauf an, dass die vernünftige Förderpolitik von Bund und Land nicht durch destruktives Verwaltungshandeln konterkariert wird. Es braucht insbesondere individuelle Lösungen, um auf Rückforderungen aus Landesprogrammen zu verzichten. Außerdem bedarf es einer Unterstützungskultur seitens der Behörden im Umgang mit der heimischen Unternehmerschaft.

Hinweis: Basis der Angaben ist eine repräsentative Konjunkturumfrage der IHK Südthüringen, die im September 2020 durchgeführt wurde. Zur IHK Südthüringen mit 27.500 Mitgliedsunternehmen gehören 12.100 Dienstleister mit 55.400 Beschäftigten, gefolgt von 7.000 Handelsunternehmen mit 15.600 Beschäftigten. Zur Industrie gehören 2.500 Unternehmen mit 44.600 Beschäftigten.

Suhl, 27.Oktober 2020

Dr. Jan Pieter Schulz
Dr. Jan Pieter, Schulz
Referent Volkswirtschaft

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