Anspruch auf Urlaubsabgeltung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach einer Elternzeit

Während der Elternzeit gehen die gesetzlichen Sonderregelungen in § 17 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 des Gesetzes zum Elterngeld und zur Elternzeit (Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz BEEG) den allgemeinen Befristungsregelungen in § 7 Absatz 3 Mindesturlaubsgesetz für Arbeitnehmer (Bundesurlaubsgesetz BUrlG) vor. Dies entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) am 16.04.2024, Az. 9 AZR 165/23.

Sachverhalt:

Die Klägerin war bei der Beklagten von 2009 bis 2020 als Therapeutin mit einer monatlichen Bruttovergütung i. H. v. zuletzt 3.700 Euro angestellt. Seit 2010 belief sich ihre wöchentliche Arbeitszeit auf 36 Stunden bei einer Verteilung auf fünf Wochentage. Ihr arbeitsvertraglicher Jahresurlaub betrug 29 Arbeitstage.

Ab dem 24.08.2015 befand sich die seinerzeit mit ihrem ersten Kind schwangere Klägerin im Mutterschutz. Zu diesem Zeitpunkt stand ihr noch ein Arbeitstag Urlaub aus dem laufenden Jahr zu. Im unmittelbaren Anschluss an die Mutterschutzfrist nahm sie Elternzeit in Anspruch. Daran schlossen sich nahtlos die Mutterschutzfristen anlässlich der Geburt eines weiteren Kindes an, nach deren Ablauf die Klägerin Elternzeit bis zum 25.11.2020 nahm.

Mit Schreiben vom 08.07.2020 erfolgte die arbeitgeberseitige Kündigung zum Ablauf der Elternzeit. Bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses hatte die Beklagte nicht erklärt, den auf die Elternzeit bezogenen Urlaub zu kürzen. Mit Schreiben vom 15.03.2021 forderte die Klägerin die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 31.03.2021 vergeblich auf, den Resturlaub aus den Jahren 2015 bis 2020 abzugelten. Daraufhin forderte sie gerichtlich die Abgeltung von insgesamt 146 Arbeitstagen Urlaub aus den Jahren 2015 bis 2020 i. H. v. insgesamt 24.932 Euro brutto. Die Klägerin war der Ansicht, die Urlaubsansprüche seien während der Mutterschutzfristen und der Elternzeit in voller Höhe entstanden. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses könne die Beklagte den Urlaub nicht mehr kürzen. Das Arbeitsgericht (ArbG) hat der Klage stattgegeben. Berufung und Revision der Beklagten blieben erfolglos.

Gründe:

Die Klägerin hat gegen die Beklagte gemäß § 7 Absatz 4 BUrlG, § 17 Absatz 3 BEEG Anspruch auf Abgeltung von 146 Arbeitstagen Urlaub. Die Urlaubsansprüche aus den Jahren 2015 bis 2020, deren Abgeltung die Klägerin begehrte, sind vor dem Zeitpunkt, zu dem das Arbeitsverhältnis der Parteien endete, nicht gemäß § 7 Absatz 3 BUrlG verfallen. Das Fristenregime des § 7 Absatz 3 BUrlG findet während der mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbote und der Elternzeit keine Anwendung. § 24 Satz 2 des Gesetzes zum Schutz von Müttern bei der Arbeit, in der Ausbildung und im Studium (Mutterschutzgesetz MuSchG), demzufolge die Arbeitnehmerin den vor Beginn der Beschäftigungsverbote nicht oder nicht vollständig erhaltenen Erholungsurlaub auch noch nach Ablauf der Verbote im laufenden Jahr oder im Folgejahr nehmen kann, steht einem Verfall von Urlaub während der Mutterschutzfristen entgegen. Die Vorschrift regelt das für das Fristenregime des § 7 Absatz 3 BUrlG maßgebliche Urlaubsjahr. Während der Elternzeit gehen die gesetzlichen Sonderregelungen in § 17 BEEG den allgemeinen Befristungsregelungen in § 7 Absatz 3 BUrlG vor. Der Urlaub muss weder nach § 7 Absatz 3 BUrlG im laufenden Kalenderjahr noch in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahrs gewährt und genommen werden. Die Urlaubsansprüche der Klägerin bestanden danach wegen der nahtlos aneinander anschließenden Mutterschutzfristen und Elternzeiten nach dem Ende der zweiten Elternzeit fort. An die Mutterschutzfrist nach der Entbindung ihres ersten Kindes schloss sich eine Elternzeit an und sodann eine erneute Mutterschutzfrist anlässlich der bevorstehenden Entbindung ihres zweiten Kindes. Die auf die Mutterschutzfrist nach der Entbindung folgende Elternzeit dauerte bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 25.11.2020. Die Urlaubsansprüche sind auch nicht aufgrund einer Kürzungserklärung der Beklagten gemäß § 17 Absatz 1 BEEG teilweise untergegangen. Das LAG hat insofern zutreffend erkannt, dass der Beklagten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr das Recht zustand, die auf die Elternzeit entfallenden Urlaubsansprüche zu kürzen. Infolgedessen hatte die Beklagte den der Klägerin zustehenden Urlaub, der auf die Zeiträume ihrer Elternzeiten entfiel, nicht wirksam gekürzt. Im bestehenden Arbeitsverhältnis hatte sie keine Kürzungserklärung abgegeben. Im anhängigen Rechtsstreit konnte sie sich dann auf ihr Kürzungsrecht nicht mehr berufen. Zutreffend hat das LAG zudem erkannt, dass die Beklagte nicht nach § 214 Absatz 1 BGB berechtigt war, die Abgeltung des Urlaubs aus den Jahren 2015 bis 2017 wegen Eintritts der Verjährung zu verweigern. Denn die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB war bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien noch nicht abgelaufen.

Anmerkung:

Die nachteilige Entscheidung für die Arbeitgeberin hätte mit drei Sätzen vermieden werden können. „Hiermit bestätigen wir die von Ihnen beantragte Elternzeit für den Zeitraum vom … bis … . In diesem Zusammenhang teilen wir Ihnen mit, dass wir von der Möglichkeit des § 17 Absatz 1 Satz 1 BEEG Gebrauch machen. Ihr jährlicher Urlaubsanspruch verkürzt sich daher für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel.“

Holger Fischer
Referent Recht

Telefon +49 3681 362-114

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