Oberzentrum Südthüringen nicht an die Wand fahren

IHK Südthüringen mahnt zur Besinnung im Streit um ein Südthüringer Oberzentrum

In der Mitte Januar aufgeflammten Auseinandersetzung um die Ausweisung eines Oberzentrums in der Region Südthüringen mahnt die Industrie- und Handelskammer (IHK) Südthüringen alle Beteiligten zur Vernunft. Der Streit um die Zugehörigkeit einzelner Städte darf nicht zu einem gänzlichen Scheitern des Vorhabens führen. Der plötzliche und unerwartete Richtungswechsel der Landesregierung in der Fortschreibung des Landesentwicklungsprogramms (LEP) wird seitens der IHK kritisiert, weil damit das Aus des Oberzentrums vorprogrammiert ist.

„Die Entscheidung der Landesregierung missachtet die über fünf Jahre gewachsenen gemeinsamen Bestrebungen auf regionaler Ebene“, kritisiert Dr. Ralf Pieterwas, Hauptgeschäftsführer der IHK Südthüringen, die unverständliche Kehrtwende in Erfurt. Es sei gar nicht hoch genug zu schätzen, dass Suhl, Zella-Mehlis, Schleusingen und Oberhof über ihren kommunalen Horizont hinweg gemeinsam so stark auf das Oberzentrum hingearbeitet haben. „Eine derart intensive kommunale Zusammenarbeit, wie sie die vier Städte Suhl in der Kommunalen Arbeitsgemeinschaft (KAG) an den Tag legen, ist beispielhaft“, so Pieterwas.

Die IHK Südthüringen hat diesen Prozess von Beginn an eng begleitet. Auch der Freistaat Thüringen hatte das Potenzial für die Region erkannt und die Erstellung des Regionalen Entwicklungskonzeptes 2019 mit 90.000 Euro gefördert. Die bis heute geleistete Arbeit samt den darauf aufbauenden Konzepten für eine gemeinsame Gewerbeflächenentwicklung, Einzelhandelssteuerung und vieles mehr würde mit einer Änderung der Gebietskulisse über den Haufen geworfen. Damit droht das in Deutschland einmalige Projekt zu scheitern.

Gutachten der TU Dortmund greift zu kurz
Ein von Meiningen und Schmalkalden in Auftrag gegebenes raumplanerisches Gutachten der TU Dortmund sieht in seiner Vorzugsvariante ein Oberzentrum bestehend aus Suhl, Zella-Mehlis, Meiningen und Schmalkalden als am besten für die Region geeignet an. Es verweist aber auch auf dessen größere räumliche Ausdehnung, die einem gemeinsamen oberzentralen Charakter tendenziell entgegenwirkt. Dieser Umstand ist ein nicht zu unterschätzender Faktor. Bereits in den 1990er und 2000er Jahren gab es Bemühungen um die Errichtung eines Oberzentrums. Damals schlossen sich Meiningen, Schmalkalden, Suhl, Zella-Mehlis, Oberhof und Hildburghausen zu einem „Oberzentralen Städteverbund“ zusammen. Letztendlich scheiterten sie mit dem Vorhaben an der fehlenden räumlichen Beziehung zueinander und mangels gemeinsamer Projekte. Dies lassen die Gutachter der TU Dortmund in ihren Betrachtungen außer Acht.

Auch die Schwelle von 100.000 Einwohnern für die Ausweisung eines Oberzentrums ist in der Landesplanung längst kein hartes Kriterium mehr. Die Regionale Planungsgemeinschaft Südwestthüringen (RPG) gelangt bereits in einer Stellungnahme aus dem Jahr 2019 zu der Auffassung, dass die von den vier Städten der KAG verfolgten Entwicklungsziele mit den Erfordernissen für bessere Standortbedingungen der Region in Einklang stehen. Die enge räumliche Verflechtung der Städte der KAG und ihr gemeinsamer Wille an einem Strang zu ziehen, sind beste Voraussetzungen dafür, dass das Vorhaben dieses Mal gelingen kann.

Die Angst, zu kurz zu kommen gefährdet eine große Chance für die Region
Die Bedenken der Städte Meiningen und Schmalkalden, bei einer Ausweisung des Oberzentrums aus den vier Städten der KAG ins Hintertreffen zu geraten, was beispielsweise Fördermittelzuweisungen betrifft, mögen aus kommunaler Sicht auf den ersten Blick verständlich wirken. Meiningen und Schmalkalden verkennen jedoch die Chancen, die ein funktionierendes Oberzentrum für die Region bietet und das unweigerlich in seine Umgebung ausstrahlt und damit die anderen zentralen Orte und die gesamte Region mitreißt. Hierdurch ergeben sich Entwicklungschancen, wie beispielsweise die zukünftige Ausrichtung von Suhl-Nord, das von der Ansiedlung einer Außenstelle der FH Erfurt und einem Innovationscluster profitiert. Dabei geht es nicht darum, Doppelstrukturen zu schaffen und noch eine Hochschule in der Region anzusiedeln, die die Hochschule Schmalkalden womöglich in ihrer Bedeutung schmälert. Im Gegenteil, diese Einrichtung wird in der Region gebraucht und sie wird an Zuspruch gewinnen, wenn ein Oberzentrum Südthüringen seine Wirkung entfaltet. Daher ist es der richtige Weg, Meiningen und Schmalkalden über Kooperationsvereinbarungen in die weitere Entwicklung eng einzubinden, wie es die KAG vorsieht.

Meiningen und Schmalkalden sind wichtige Partner für das Oberzentrum
In landesplanerischer Hinsicht wäre es zudem zweckmäßig, Meiningen und Schmalkalden den Status von Mittelzentren mit Teilfunktionen eines Oberzentrums zuzusprechen, wie ihn aktuell Suhl und Zella-Mehlis besitzen. Dies wäre ihrer Ausstattung an oberzentralen Teilfunktionen angemessen, die bereits von der RPG bescheinigt wurde und auf die sich die Städte in der aktuellen Debatte stets berufen. Gleichermaßen würde es ihre Bedeutung als wichtige Partner für das Oberzentrum unterstreichen.

„So nah wie heute befand sich die Region noch nie an der Verwirklichung eines Oberzentrums. Umso riskanter ist das derzeitige Gezerre der Bürgermeister und der Landesregierung. Es steht viel auf dem Spiel und im schlimmsten Fall scheitert der Versuch der Errichtung eines Oberzentrums in Südthüringen erneut, was nicht im Sinne der Beteiligten sein kann“, findet Dr. Pieterwas deutliche Worte für die Situation. „Ich appelliere eindringlich an alle Beteiligten, den Dialog zu suchen und eine einvernehmliche Lösung zum Wohle der Region zu finden. Von der Thüringer Landesregierung erwarten wir, dass sie ihren unverständlichen Richtungswechsel in der Landesplanung revidiert und wieder auf den Pfad zurückkehrt, auf dem man die regionalen Bestrebungen in den vergangenen fünf Jahren unterstützt hat“, fordert der IHK-Chef.

Suhl, 20. Februar 2024

Dr. Jan Pieter Schulz
Dr. Jan Pieter, Schulz
Referent Volkswirtschaft

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