Pandemiepolitik: Südthüringer Wirtschaft fordert Plan für den Herbst

Alleiniger Blick auf Inzidenzwerte wird nicht mehr akzeptiert

Nach langem Sinkflug steigt die Kurve der Corona-Neuinfektionen auch in Deutschland wieder leicht an. Das dürfte aufgrund des Impffortschritts längst nicht so furchteinflößend zu bewerten sein, wie noch vor einem Jahr. Und dennoch: Damit der bevorstehende Corona-Herbst nicht zum Déja-vu-Erlebnis wird, fordert die Südthüringer Wirtschaft von der Thüringer Landesregierung ein grundsätzlich überarbeitetes, transparentes und verlässliches Pandemiemanagement. Ein neuer Lockdown aufgrund stupider Inzidenzwertbetrachtung ist keine Option.

„Der Wettlauf gegen neue Corona-Infektionen scheint eröffnet. Jetzt dürfen wir keine Chancen verpassen und so wie im vergangenen Sommer unvorbereitet in den Herbst rasen. Der Impffortschritt muss weiter beschleunigt werden. Impfungen sind der beste Schutz gegen das Virus und der einzige nachhaltige Weg raus aus der Pandemie“, mahnt Dr. Ralf Pieterwas, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Südthüringen.

Wirtschaft und Gesellschaft brauchen Planungssicherheit, die über den Sommer hinausgeht. Hierzu muss die Thüringer Landesregierung jetzt strategische Entscheidungen treffen. „Es ist höchste Zeit, dass die Politik uns unsere Grundrechte nicht mehr willkürlich und ad hoc gewährt und entzieht. Es gilt, ein wirtschaftliches und öffentliches Leben mit Corona zu organisieren. Pauschale Schließungen ganzer Branchen gehören nicht dazu“, sagt der IHK-Chef weiter.

Dazu zählt auch die Abkehr von der Inzidenzwertbetrachtung. Stattdessen müssen andere Indikatoren zur Bewertung des Infektionsgeschehens herangezogen werden, insbesondere die Auslastung der Intensivstationen. „Den Blick weg von den Inzidenzwerten erwarten wir nicht irgendwann, sondern bereits in der August-Verordnung der verantwortlichen Gesundheitsministerin Heike Werner. Die Folgen einer 35er- oder 100er-Inzidenz sind aufgrund des Impffortschritts ganz anders zu bewerten, als noch vor Verfügbarkeit der Impfstoffe. Deshalb muss der Bewertungsmaßstab schnellstens ersetzt werden. Ein Weiter-so werden wir als Wirtschaft nicht mehr akzeptieren“, betont Dr. Ralf Pieterwas.

Allerdings muss auch der Bund in diesem Bereich seine Hausaufgaben machen und das Infektionsschutzgesetz umgehend ändern, das die Inzidenzwerte zum gesetzlichen Maßstab für zu ergreifende Maßnahmen erhebt.

Mit Blick auf die konsequente Unterbrechung von Infektionsketten ist auch eine einheitliche Digitalisierung örtlicher Gesundheitsämter zu forcieren, um eine Kontaktnachverfolgung über die Software SORMAS vollständig zu ermöglichen. Weil Mobilität ein Treiber der Pandemie ist, bedarf es ebenso kluger Konzepte für den Öffentlichen Personennahverkehr.

Vor dem Hintergrund der Fachkräfteengpässe fordert die IHK Südthüringen, die digitale Infrastruktur an Allgemeinbildenden Schulen und endlich auch an Berufsschulen auszubauen. Außerdem sind weitere technische Nachrüstungen im Interesse der Rückkehr zum normalen Schulunterricht erforderlich, etwa die Anschaffung von Luftfiltern. 200 Mio. Euro wurden als Unterstützung für die Beschaffung von mobilen Luftfiltern für Schulen und Kindertageseinrichtungen durch das Bundeskabinett angekündigt. Eine verlässliche Beschulung und Kinderbetreuung muss sichergestellt werden, um unzumutbare Mehrbelastungen für Unternehmen, Eltern und die Kinder künftig auszuschließen. Weiterhin sollten Impfungen von Lehrkräften und Eltern beschleunigt und Testkonzepte an den Schulen fortgesetzt werden, um Infektionsketten konsequent zu unterbrechen.

„Aber nicht nur die Politik, sondern alle Bürgerinnen und Bürger sind in der Pflicht, trotz Lockerungen besonnen und umsichtig zu handeln und bewährte Infektionsschutzregeln zu befolgen, sowohl in den Betrieben als auch in der Freizeit. Nur so können wir auch die Zeit nach dem Sommer genießen“, so Dr. Ralf Pieterwas abschließend.

Suhl, 19. Juli 2021

Dr. Ralf Pieterwas
Dr. Ralf Pieterwas
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