Jeder achte Tourismusbetrieb hat in den letzten Jahren aufgegeben

Saisonbericht Tourismus der IHK Südthüringen

Erst kam Corona und dann die Inflation. Die Folgen belasten das Südthüringer Gastgewerbe bis heute. Besser sieht die Entwicklung der Reisebranche aus. Hier scheint die tiefe Krise der letzten Jahre überwunden. Die Kunden kehren zurück, die Branche ist wieder im Aufwind. Diese Ergebnisse liefert die aktuelle Saisonumfrage Tourismus, die die Industrie- und Handelskammer (IHK) Südthüringen unter ihren Mitgliedsunternehmen durchgeführt hat.

Aus den Einschätzungen der Unternehmen zur Geschäftslage und zu den Erwartungen für die nächsten Monate errechnet die IHK Südthüringen den Konjunkturklimaindikator. Er erreicht in den Beherbergungsbetrieben 90,4 Punkte, fünf Punkte mehr als vor einem Jahr. In der Gastronomie sind es 70,4 Punkte, ein Anstieg um sechs Punkte. Die Reisebranche kommt auf 110,2 Punkte, plus 12 Punkte. Insgesamt kann der Konjunkturklimaindikator bis zu 200 Punkte erreichen. Werte über 100 Punkten signalisieren einen Aufschwung, Werte darunter zeigen eine Krise, die umso tiefgreifender ist, je geringer der Wert ausfällt.

„Die Corona-Lockdowns und die Kostenexplosion infolge des russischen Kriegs in der Ukraine haben die Südthüringer Tourismuswirtschaft verwundbar gemacht. In den letzten drei Jahren sind 12 Prozent der Unternehmen verschwunden. Die Kunden kommen nur langsam zurück. Umsatzsteigerungen verbucht nur die Reisebranche, die den Kunden Urlaubserlebnisse abseits des Thüringer Waldes verkauft. Doch hier wie dort herrschen Geldsorgen. Die Politik sollte daher bessere Rahmenbedingungen schaffen und zusätzliche Belastungen durch Abgaben und Bürokratie vermeiden. Deshalb ist es jetzt an der Zeit, ein niederschwelliges Förderprogramm wie Thüringen Invest und Solar Invest für die Branche wieder ins Leben zu rufen“, fordert Dr. Ralf Pieterwas, Hauptgeschäftsführer der IHK Südthüringen.

Schwer angeschlagen: Blick in die Gastronomie
Lediglich 16 Prozent der gastronomischen Betriebe bewerten ihre Geschäftslage als gut, für 40 Prozent ist sie schlecht. Korrespondierend hierzu berichten 14 Prozent von Umsatzsteigerungen, während sich für 35 Prozent im Vergleich zum Vorjahr ein Umsatzrückgang ergab.

Dies wirkt sich direkt auf die Unternehmensfinanzen aus. Lediglich für 28 Prozent ist die Finanzlage unproblematisch. Am häufigsten sind Liquiditätsengpässe und ein Rückgang des Eigenkapitals. Infolge der Inflationsbekämpfung der EZB klagt jeder dritte Betrieb über hohe Zinsen.

In den kommenden Monaten rechnen nur wenige mit besseren Geschäften, jeder zweite geht von einer Verschlechterung aus. 60 Prozent der Gastronomen beabsichtigen, mit weiteren Preiserhöhungen den Kostenanstieg aufzufangen. Für 90 Prozent bildet der Anstieg der Energiepreise die Hauptsorge. An zweiter Stelle stehen mit 72 Prozent die Lebensmittelpreise. 59 Prozent heben die Arbeitskosten hervor. Der höhere Mindestlohn, die Inflationsausgleichsprämie und allgemeine Lohnsteigerungen im Wettbewerb um Fachkräfte treiben die Kosten. Nur jeder zehnte Betrieb erwartet steigende Mitarbeiterzahlen, 30 Prozent gehen hingegen von einem Rückgang aus. „Für die Gastronomie hier vor Ort kann jeder etwas tun. Wenn jeder ab und zu mal essen geht, kommt diese Branche schneller wieder auf die Beine“, erklärt Dr. Pieterwas. Das sei wichtig, da eine funktionierende Gastronomie die Attraktivität der Region stärkt und Thüringens Süden für Einheimische lebenswert macht.

Gäste kommen nur langsam zurück: Blick in die Beherbergungsbetriebe
Geringfügig besser ist die Situation der Beherbergungsbetriebe. Hier bewerten 21 Prozent die Lage als gut und 60 Prozent als saisonüblich. Tatsächlich sagt diese Einschätzung jedoch viel über die Leidensfähigkeit der Gastgeber aus. Im Vergleich zum Vorjahr melden 37 Prozent gesunkene Übernachtungszahlen, nur 12 Prozent konnten mehr Gäste verbuchen. Die Bettenauslastung ist für 7 Prozent gestiegen, zugleich aber für 43 Prozent gesunken. Daten der amtlichen Statistik belegen, dass sich die Beherbergungsbetriebe im Thüringer Wald viel langsamer erholen, als in Thüringen und Deutschland insgesamt.

Lediglich für 39 Prozent der Beherbergungsbetriebe ist die Finanzlage derzeit unproblematisch. 46 Prozent berichten von einem Eigenkapitalrückgang und 41 Prozent von Liquiditätsengpässen. Da viele Investitionen durch Kredite finanziert werden, sind die Folgen der Geldpolitik der EZB direkt spürbar. 42 Prozent sehen sich durch die Zinshöhe beeinträchtigt. 26 Prozent berichten, dass die Banken einen höheren Eigenbeitrag verlangen. 18 Prozent müssen mehr Dokumentationspflichten als früher erfüllen.

In den kommenden Monaten rechnen 13 Prozent mit besseren Geschäften, 53 Prozent erwarten keine Veränderung. Jedes zweite Unternehmen will Preiserhöhungen vornehmen, um den Kostenanstieg aufzufangen. Im Beherbergungsbereich sorgen sich 84 Prozent wegen der Energiepreisentwicklung.

Die Rohstoffpreise nennen 58 Prozent, die Arbeitskosten 51 Prozent. 56 Prozent fürchten mittelfristig Personalmangel. In den kommenden Monaten gehen aber 84 Prozent von stabilen oder sogar steigenden Mitarbeiterzahlen aus. Die Investitionsneigung nimmt wieder etwas zu. 69 Prozent planen Investitionen, 20 Prozent mit steigendem Volumen.

Es läuft wieder besser: Blick auf die Reisemittler
Reisebüros, Reisebusse und weitere Unternehmen bilden die Reisemittler. Hier zieht das Geschäft wieder an. 36 Prozent berichten von guten und 50 Prozent von saisonüblichen bzw. befriedigenden Geschäften. Der Umsatz ist im Vergleich zum letzten Jahr für 55 Prozent gestiegen und für weitere 18 Prozent unverändert.

Allerdings wirken die Corona-Jahre mit Niedrigstumsätzen nach. Nur für 36 Prozent ist die Finanzlage unproblematisch. Sorgen bereitet 43 Prozent der Eigenkapitalrückgang. 14 Prozent berichten von einer verschlechterten Zahlungsmoral der Kunden.

In den kommenden Monaten erwarten 21 Prozent bessere und 57 Prozent gleichbleibende Geschäfte, 79 Prozent gehen von Preissteigerungen aus, die häufig von den Leistungsträgern direkt an die Reisemittler weitergegeben werden. Zwei von drei Betrieben haben außerdem Sorgen wegen der Energiepreise. Die Investitionsplanungen nehmen nach längerer Zurückhaltung wieder zu. 64 Prozent planen Investitionen nach lediglich 50 Prozent vor einem Jahr. Auf dem Arbeitsmarkt erwarten 79 Prozent unveränderte Mitarbeiterzahlen.

Zur Information:
Die Konjunkturumfrage zur Tourismuswirtschaft wird von der IHK Südthüringen zweimal im Jahr durchgeführt. Die aktuelle Erhebung umfasst Einschätzungen für den Zeitraum November 2022 bis April 2023. Es wurden 775 Unternehmen befragt. Die Rücklaufquote 9 Prozent. Der vollständige Saisonbericht Tourismus Winter 2022/2023 ist auf der IHK-Website abrufbar.

Suhl, 23. Juni 2023

Dr. Jan Pieter Schulz
Dr. Jan Pieter, Schulz
Referent Volkswirtschaft

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