Ungelöste Probleme bremsen den Aufschwung

Konjunkturbericht Frühsommer 2021 der IHK Südthüringen

  • Erholung in Südthüringer Wirtschaft erfolgt verhalten
  • Zweigeteilte Entwicklung: Stimmung in Industrie und Baugewerbe hellt sich auf, keine Lichtblicke dagegen in anderen Branchen
  • Weltmärkte funktionieren: Erholung insbesondere in China und den USA verknappt Industrierohstoffe – Unternehmen beklagen Preissteigerungen und Lieferausfälle


Im zweiten Jahr der Corona-Pandemie normalisiert sich weltweit die Wirtschaft. Der Weg zur Normalität ist jedoch holprig. Die internationalen Handelswege sind gestört. Rohstoffe und Zwischenprodukte werden knapp, Preise steigen, Lieferzusagen können nicht immer eingehalten werden. Zugleich haben sich alte Probleme nicht in Luft aufgelöst: In Thüringen kriselte die Wirtschaft bereits seit 2015 aufgrund fehlender Fachkräfte und neuer Technologien in der Automobilindustrie. Der Konjunkturbericht Frühsommer 2021 der Industrie- und Handelskammer (IHK) Südthüringen informiert über das industrielle Zentrum des Freistaats.

Derzeit bewerten 23 Prozent der Südthüringer Unternehmen ihre Geschäftslage als gut und 36 Prozent als saisonüblich bzw. befriedigend. Für die kommenden Monate erwarten 17 Prozent der Unternehmen bessere Geschäfte, 45 Prozent hingegen keine Veränderung. Der Konjunkturklimaindikator, den die IHK Südthüringen als geometrisches Mittel aus den Lage- und Erwartungseinschätzungen der Unternehmen errechnet hat, erreicht 80,6 Punkte – einen Punkt mehr als zu Beginn des Jahres. Verbessert haben sich vor allem die Geschäftserwartungen. Insgesamt deutet ein Indikator mit weniger als 100 Punkten auf ein Überwiegen unternehmerischer Sorgen, Probleme und Nöte hin.

Diese äußern sich in einer geringen Investitionsneigung und verhaltenen Beschäftigungsplänen. Für die kommenden Monate planen 72 Prozent der Unternehmen Investitionen, wobei das Investitionsgeschehen – von einzelnen Ausnahmen abgesehen – überschaubar bleibt. Was kaputt ist, wird ersetzt, Kosten werden gesenkt, doch große Impulse zur Erschließung neuer Flächen und Produktionsverfahren unterbleiben weitgehend. Ohne Aufschwung bleiben die Investitionsanreize gering. Ähnlich verhält es sich mit Neueinstellungen, die derzeit häufig nicht erfolgen. Orientieren sich Mitarbeiter um oder gehen sie in den Ruhestand, bleiben deren Stellen erst einmal unbesetzt.

„In anderen Regionen stehen die Zeichen erheblich stärker auf Aufschwung. Davon und von den sinkenden Inzidenzen wird die Südthüringer Wirtschaft profitieren. Die Geschäfte unserer Unternehmen werden sich mitunter besser entwickeln, als in der Umfrage erwartet. Aber die Probleme, die bereits vor Corona bestanden, müssen für eine nachhaltige Erholung angegangen werden. Uns fehlen Facharbeiter, das ist für jedes zweite Unternehmen ein Geschäftsrisiko. Außerdem empfehlen wir Unternehmen, die heute noch ausschließlich Zulieferer für Antriebstechnik sind, ihre Angebote und ihren Kundenkreis zu erweitern. Augenblicklich fallen wir im Konvergenzprozess zurück, statt weiter aufzuholen“, erklärt Dr. Ralf Pieterwas, Hauptgeschäftsführer der IHK Südthüringen.

Blick in die Branchen
In der Industrie steigt der Konjunkturklimaindikator um 5 Punkte auf 91,5 von 200 möglichen Punkten. In anderen Regionen mit geringerer Bedeutung der Automobilzulieferer werden mitunter 110 Punkte und mehr erreicht. Insbesondere in den Landkreisen Hildburghausen und Schmalkalden-Meiningen weist die Branche bislang eine zu geringe Exportorientierung auf und kann daher nicht stark genug an der Wachstumsdynamik der ausländischen Märkte partizipieren. Insgesamt aber bessern sich die Werte für die Branche. Die Kapazitätsauslastung nimmt zu, jeder zweite Betrieb ist zu mindestens 80 Prozent ausgelastet.

Auch aus dem Baugewerbe kommen durchwachsene Signale. Diese Branche könnte ebenfalls erheblich stärker wachsen, wären die erforderlichen Fachkräfte vorhanden. Belastend wirkt außerdem die zunehmende Knappheit auf dem Rohstoffmarkt, die mit der wirtschaftlichen Erholung im In- und Ausland einhergeht. Trotz gut gefüllter Auftragsbücher sinkt daher der Konjunkturklimaindikator um 1,8 Punkte auf 97,3 Punkte.

In den anderen Branchen gibt es bislang keine Lichtblicke. Im Verkehrsgewerbe und unter den Dienstleistern entwickelt sich der Indikator zwar leicht positiv, doch ist dies eher als Seitwärtsbewegung zu verstehen. Im Handel und im Gastgewerbe setzt sich der Rückgang weiterhin fort. Die Indikatoren dieser Branchen bilden eine Spannbreite von 20,6 Punkten im Gastgewerbe bis hin zu 84,9 Punkten im Verkehrsgewerbe ab.

Neue Risiken
Der Wirtschaftsaufschwung vollzieht sich nahezu zeitgleich in den USA, Asien, insbesondere China, und zunehmend auch Europa. Viele Lieferanten von Rohstoffen und Vorprodukten haben nicht zügig genug auf diese Wachstumsdynamik reagiert. Hinzu kommen ernsthafte Störungen im Frachtverkehr, die sich bspw. in einer weltweiten Containerknappheit äußern. All dies bewirkt steigende Preise für Rohstoffe und Vorprodukte sowie Knappheit einzelner Güter.

Jedes zweite Unternehmen erblickt hierin Risiken, weil Kundenwünsche nur verzögert bedient werden können, schwer zu kalkulieren und im Fall von langfristigen Verträgen mit sinkenden Margen verbunden sind. Neun von zehn Baufirmen, sieben von zehn Industriebetrieben und jedes zweite Handelsunternehmen sind betroffen.

„Betrachtet man alle Rohstoffe in einem Index vereint, sieht man zunächst vor allem die Marktkorrektur. Nachdem sich von Frühjahr 2019 zu Frühjahr 2020 die Rohstoffpreise halbiert haben, haben sie sich seither wieder mehr als verdoppelt. Tatsächlich wird diese Entwicklung aber vor allem durch die Energierohstoffe und in geringerem Maß im Fall von Schnittholz hervorgerufen. Die Metallpreise wachsen hingegen gerade durch die Decke, auch Holz ist irrsinnig knapp geworden. Teilweise werden die Preissteigerungen durch staatliche Regulierungen wie Zölle oder Exportverbote verschärft. Die IHK Südthüringen fordert daher den Wegfall staatlicher Manipulationen am Preismechanismus“, so Dr. Pieterwas.

Knappheiten und Preissteigerungen sind auch Folge der Zergliederung der Produktion in weltweite Lieferketten. Die Havarie der „Ever Given“ Ende März 2021, die den Suez-Kanal eine Woche lang blockierte, wirkte hier verschärfend: Die Wasserstraße ist ein Nadelöhr des Welthandels, durch das jährlich bis zu 12 Prozent des weltweiten Frachtvolumens geführt wird.

Beeinträchtigungen bestehen vor allem für Plastik und Kunststoffgranulat. Diese werden nicht nur für Spielzeugpuppen, Autositze und Motorsägen verwendet, sondern für Lebensmittelverpackungen aller Art. Knapp sind außerdem elektronische Bauteile, Chemikalien und Computerchips. Die IHK Südthüringen erwartet, dass durchaus noch ein ganzes Jahr vergehen kann, bis die Weltwirtschaft ihren Takt vollständig wiedergefunden hat. Bis dahin werden Handelsstörungen in Form von Preissteigerungen und/oder Wartezeiten auf der Tagesordnung bleiben.

Suhl, 20. Mai 2021

Dr. Jan Pieter Schulz
Dr. Jan Pieter, Schulz
Referent Volkswirtschaft

Telefon +49 3681 362-406

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