Wieder an der Realität vorbei

IHK Südthüringen zur geplanten Novelle des Gebäudeenergiegesetzes

Die Bundesregierung will mit dem Gebäudeenergiegesetz, auch Heizungsgesetz genannt, dem schlafenden Riesen der Energiewende, dem Gebäudesektor ein enges Korsett anlegen. Der Gesetzentwurf wird derzeit intensiv in der Öffentlichkeit diskutiert und kritisiert. Er stößt bei der Südthüringer Wirtschaft auf Ablehnung. Zuletzt hatte Wirtschaftsminister Robert Habeck Kompromissbereitschaft signalisiert, was die regionale Wirtschaft begrüßt. Zugleich erwartet sie, dass die Kritikpunkte nachjustiert werden.

Es ist zwar allgemeiner Konsens in der Wirtschaft, dass auch der Gebäudesektor einen Beitrag zu den Klimazielen leisten muss. „Aus unserer Sicht setzen jedoch der nationale Emissionshandel und der neue europäische Emissionshandel einen ausreichend wirksamen Rahmen für den Klimaschutz im Gebäudebereich“, erklärt Dr. Ralf Pieterwas, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Südthüringen.

Zusätzliche Vorgaben, die den Handlungsspielraum der Unternehmen im Gebäudebereich einschränken und letztlich auch eine Verteuerung der Gebäudebeheizung herbeiführen, sind nicht zielführend. Ein Beispiel für diese Vorgaben ist die Pflicht zur Nutzung von mindestens 65 Prozent erneuerbaren Energien in neu eingebaute Heizungen. Diese führt letztlich dazu, dass noch ein weiteres konventionelles Heizsystem für den Rest vorgehalten werden muss, sofern nicht gleich auf 100 Prozent erneuerbare Energien umgestellt wird. Durch das Gesetz wird der Handlungsspielraum auch insofern eingeschränkt, als dass Gebäudeeigentümer erneuerbare Energieanlagen einbauen müssen, obwohl sie zielführender in eine stärkere Gebäudeautomation oder in Dämmung investieren sollten.

Technologieoffenheit und ausreichend Zeit den schlafenden Riesen zu wecken
Als nicht gegeben sieht die Wirtschaft auch die im Gesetzentwurf behauptete Technologieoffenheit möglicher Heizungssysteme. Die Verteilung der Aufgabe „Gebäudebeheizung“ auf viele verschiedene Technologien stärkt auch die Resilienz oder Robustheit des Gesamtsystems.

Dazu kommt, dass gerade im ländlichen Raum zahlreiche Unternehmen auch auf die Wärmeversorgung mit Biomasse setzen. Biomasse ist hier verfügbar, erneuerbar und vergleichsweise günstig. „Es ist aus unserer Sicht weder sachgerecht noch nachvollziehbar, dass Biomasse laut Gesetzentwurf nicht für die Gebäudeenergieerzeugung in Neubauten verwendet werden soll“, betont Pieterwas.

„Die spezifischen Regelungen des Gebäudeenergiegesetzes finden nicht im luftleeren Raum statt. Sie müssen sich in ein konsistentes Gesamtkonzept einbetten, das energiepolitische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Rahmenbedingungen und Realitäten berücksichtigt. Die faktische Priorisierung einzelner Technologien ist dagegen eine riskante Wette auf dem Weg zum Umbau des Energiesystems und blendet Engpässe bei Material und Personal aus“, so Pieterwas weiter.

Beispielsweise kann die stark gewachsene Nachfrage nach Wärmepumpen aktuell nicht zeitnah gedeckt werden und die für 2024 geplanten 500.000 Wärmepumpen würden nur die Hälfte des Bedarfs decken. Eine zusätzliche, gesetzlich herbeigeführte Nachfrage hat zudem deutliche Auswirkungen auf die Preisbildung auf den Märkten.

EU-Regelung abwarten
„Vor allem fordern wir den deutschen Gesetzgeber im Sinne der Rechtsklarheit auf, das derzeit gestartete Gesetzgebungsverfahren zum Gebäudeenergieeffizienzgesetz auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben“, so Pieterwas. Hintergrund ist, dass auf europäischer Ebene die Neufassung der Gebäudeenergieeffizienzrichtlinie läuft und diese den verbindlichen Rechtsrahmen für die deutsche Gesetzgebung bildet.

Außerdem sieht die Südthüringer Wirtschaft die im Gesetzentwurf enthaltene Länderöffnungsklausel kritisch. Mit einer solchen Regelung bestünde die Gefahr, dass diese zu einem regelungstechnischen Flickenteppich und damit zu mehr Aufwand und höherer Komplexität für die Unternehmen führen würde. Ebenso würde die Regelung den Boden für die angestrebte Solarbaupflicht für alle gewerblichen Neubauten bereiten. Die IHK Südthüringen lehnt dies ab, da genügend Anreize für einen Ausbau von Solarenergieanlagen bestehen.


Suhl, 31. Mai 2023

Tilo Werner
Tilo Werner
Abteilungsleiter Innovation und Umwelt | International

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