Unberechtigte Eignungsuntersuchung durch Arbeitgeber
Will ein Arbeitgeber die Beschäftigung eines Arbeitnehmers von dessen gesundheitlicher Eignung abhängig machen, so hat er die Kriterien, die zu einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses führen sollen, genau festzulegen. Die Klausel muss die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschreiben, dass für den Arbeitgeber keine unangemessenen Beurteilungsspielräume bleiben. Dies entschied das Arbeitsgericht Suhl mit Urteil vom 25.10.2023, Az.: 6 Ca 592/23.
Sachverhalt:
Der Beklagte hatte eine Stelle als Schießstandwart in einem Bildungszentrum ausgeschrieben. In der Stellenbeschreibung hieß es unter dem Punkt „Diese Qualifikation bringen Sie mit“ u.a. „gesundheitliche und körperliche Eignung (insbesondere keine ärztlichen Einschränkungen hinsichtlich der Fähigkeit, schwere Gegenstände zu heben oder zu bewegen).“ Am 01.02.2023 hat der Beklagte mit dem damals knapp 50-jährigen Kläger „vorbehaltlich der Feststellung der gesundheitlichen Eignung“ einen Formulararbeitsvertrag abgeschlossen. Danach wurde der Kläger auf unbestimmte Zeit als Vollbeschäftigter mit einer Probezeit von sechs Monaten und einem monatlichen Gesamtbruttogehalt von 2.475 Euro eingestellt. Noch vor Durchführung einer gesundheitlichen Untersuchung trat der Kläger seinen Dienst an. Er erbrachte seine Arbeit in der Folgezeit beanstandungsfrei und hatte keine Fehlzeiten.
Mit Schreiben vom 25.04.2023 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass er sich am 16.05.2023 beim Polizeiärztlichen Dienst zu einer Einstellungsuntersuchung einfinden soll. Im Rahmen der Untersuchung erfolgte eine Blutentnahme. Am 26.05.2023 wurde dem Beklagten das Ergebnis der Untersuchung mitgeteilt, wonach keine gesundheitliche Eignung für die Einstellung für die Tätigkeit als Schießstandwart bestünde. Am 08.06.2023 fand ein Personalgespräch mit dem Kläger statt, in dem ihm das Ergebnis der Untersuchung und die Folgen erläutert wurden. Im Gesprächsprotokoll hieß es dazu: „Da er sich noch in der Probezeit befindet und auf Basis der auflösenden Bedingung des Arbeitsvertrages (Vorbehalt der gesundheitlichen Eignung) wird er fristgerecht in der Probezeit entlassen.“
Der Kläger war der Ansicht, der im Arbeitsvertrag vereinbarte, „Vorbehalt“ sei nicht wirksam. Er könne auch keine Rechtsgrundlage für die vom Beklagten geforderte und durchgeführte Untersuchung und Verletzung der körperlichen Integrität darstellen. Die gesundheitliche Nichteignung des Klägers sei wegen vorübergehend erhöhter Leberwerte zu Unrecht angenommen worden. Der Beklagte behauptete, bei Unterzeichnung des Arbeitsvertrages am 01.02.2023 durch den Kläger habe ein Mitarbeiter der Personalverwaltung bei ihm einen alkoholischen Geruch und glasigen Blick festgestellt. Hiernach liege eine in der Person des Klägers begründete Veranlassung für eine ärztliche Untersuchung vor. Die Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht war erfolgreich.
Gründe:
Das Arbeitsverhältnis ist nicht durch den im Arbeitsvertrag vereinbarten „Vorbehalt der Feststellung der gesundheitlichen Eignung“ aufgelöst worden. Denn der Vorbehalt war von den Parteien nicht wirksam vereinbart worden. Bei der streitgegenständlichen Klausel der Präambel des Arbeitsvertrages handelt es sich um eine für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Bestimmung, die als allgemeine Geschäftsbedingung i.S.d. BGB anzusehen ist und einer Inhaltskontrolle unterliegt. Danach ist eine Vertragsklausel wegen unangemessener Benachteiligung unwirksam, wenn die Bestimmung nicht klar und verbindlich ist. Dies war aber der Fall. Will ein Arbeitgeber die Beschäftigung eines Arbeitnehmers von dessen gesundheitlicher Eignung abhängig machen, so hat er die Kriterien, die zu einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses führen sollen, genau festzulegen. Die Klausel muss die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschreiben, dass für den Arbeitgeber keine unangemessenen Beurteilungsspielräume bleiben. Die vorliegende Klausel ist aber in mehrfacher Hinsicht nicht klar formuliert. Unklar ist, was genau mit „vorbehaltlich“ gemeint ist. Obwohl die Klausel wie eine aufschiebende Bedingung formuliert ist, hat der Beklagte den Beginn des Arbeitsverhältnisses offenbar nicht von dem Ausgang der Einstellungsuntersuchung abhängig machen wollen. Hier könnten Unsicherheiten darüber bestehen, ob der „Vorbehalt“ überhaupt noch gilt, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeit gleichwohl antreten durfte. Problematisch ist insbesondere aber auch, dass der Beklagte weder deutlich gemacht hat, wann – wenn schon nicht vor dem Arbeitsbeginn – die Untersuchung stattfinden soll, noch durch wen die Feststellung der gesundheitlichen Eignung erbracht werden kann. Zudem ist unklar, welchen Umfang und welche Eingriffsintensität die Untersuchung haben soll. Außerdem war die Kündigung gemäß § 138 Absatz 1 BGB unwirksam, da sie allein auf dem Ergebnis einer unberechtigten Untersuchung des Klägers beruhte Eine Einstellungsuntersuchung wurde nicht wirksam vereinbart. Es wurde auch keine Einstellungsuntersuchung durchgeführt. Denn zum Zeitpunkt der Untersuchung am 16.05.2023 war der Kläger schon mehrere Monate bei dem Beklagten tätig. Allein auf das Ergebnis dieser unberechtigten Untersuchung stützte der Beklagte die Kündigung in der Probezeit. Die vermeintliche gesundheitliche Nichteignung kam bei der unbeanstandeten Aufgabenerfüllung durch den Kläger jedoch nicht zum Tragen.
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