Corona-Soforthilfe – Rückforderungsbescheid rechtswidrig

Das Verwaltungsgericht (VG) Meiningen entschied mit Urteil vom 13.12.2022, Az. 8 K 1325/21 Me, dass ein Widerrufs-  und Leistungsbescheid aufgehoben wird, der einen Bewilligungsbescheid über Corona-Soforthilfe aus dem Thüringer Soforthilfeprogramm Corona 2020 widerrief. Für einen Widerruf des Bescheides können nur die zum Antragszeitpunkt geltenden Rechtsgrundlagen und Richtlinien herangezogen werden. Eine nachträgliche Änderung der Richtlinien kann nicht zum Nachteil des Antragsstellers führen, der den Antrag vor Änderung der Richtlinie ordnungsgemäß gestellt hat. Von Unternehmen, die ihren Antrag ordnungsgemäß vor dem 2. April 2020 gestellt haben, kann die Soforthilfe nicht zurückgefordert werden.

Falldetails

Im streitgegenständlichen Fall hatte eine Unternehmerin aus Südthüringen gegen einen Widerrufs- und Leistungsbescheid geklagt. Mit diesem widerrief die zuständige A-Bank einen Bewilligungsbescheid in voller Höhe für die Vergangenheit. Als Betreiberin eines Gesundheitszentrums hatte die Klägerin zuvor finanzielle Leistungen (Corona-Soforthilfe) aus dem Thüringer Soforthilfeprogramm Corona 2020 in Höhe von 20.000 Euro erhalten. Die Klägerin wurde aufgefordert, den Rückzahlungsbetrag innerhalb einer Frist von 4 Wochen ab Zustellung des Bescheides an die A-Bank zu überweisen.

Die zulässige Klage ist begründet. Das Gericht folgte dem Vortrag des anwaltlichen Vertreters der Klägerin und entschied antragsgemäß, dass der Widerrufs- und Leistungsbescheid aufgehoben wird, da dieser rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzte. Die A-Bank stellt im streitgegenständlichen Widerrufs- und Leistungsbescheid darauf ab, dass die Klägerin die bewilligte Corona-Soforthilfe nicht für den dafür vorgesehenen Zweck zur Überwindung einer existenzgefährdenden Wirtschaftslage verwendet habe, da eine Berechnung ergeben habe, dass bei ihr in den drei auf die Antragstellung folgenden Monaten kein Liquiditätsengpass vorgelegen hätte. Sie stellt damit auf ein Verständnis von einer finanziellen Notlage ab, welches sich nicht aus der für die Klägerin erkennbaren Verwaltungspraxis der Beklagten zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses ergab.

Weder aufgrund der Formulierung im Bewilligungsbescheid und der dort in Bezug genommen Richtlinie noch unter Berücksichtigung der Angaben im Antragsformular konnte dies angenommen werden. In der Richtlinie vom 25.03.2020 war weder ein „Liquiditätsengpass“ erwähnt oder gar definiert noch die Voraussetzung genannt, dass es auf die ab der Antragstellung „maßgeblich folgenden drei Monate“ ankomme. Im Antragsformular musste die Klägerin zwar bestätigen, dass durch den angegebenen Schaden die Liquidität des Unternehmens nicht mehr ausreichend gesichert sei. Jedoch blieb unklar, was unter Liquidität zu verstehen und wie diese zu berechnen ist. Gleichzeitig sollte sie die Höhe des infolge der Corona-Pandemie entstandenen bzw. unmittelbar bevorstehenden Schadens und die Höhe des Umsatzes 2019 angeben, sowie erklären, welcher Schaden für das Unternehmen entstanden sei und warum.

Der von der Beklagten im Rückforderungsbescheid genannte Zweck, für den die Klägerin nach ihrer Auffassung die Leistungen gewährt wurde, entspricht zwar der am 03.04.2020 in Kraft getretenen neuen Richtlinie, die die Richtlinie vom 25.03.2020 ersetzen und für alle Anträge gelten sollte, die ab dem 02.04.2020 gestellt wurden. Dort wird als „Voraussetzungen“ ausgeführt, dass „die Soforthilfe als Billigkeitsleistung zur Überwindung einer existenzgefährdenden Wirtschaftslage gewährt wird, die durch die Corona-Krise vom Frühjahr 2020 entstanden ist. Eine existenzgefährdende Wirtschaftslage werde angenommen, wenn die fortlaufenden Einnahmen aus dem Geschäftsbetrieb der Klägerin voraussichtlich nicht ausreichen, um die Verbindlichkeiten in den auf die Antragstellung folgenden drei Monaten aus dem erwerbsmäßigen Sach-, und Finanzaufwand (z.B. gewerbliche Mieten, Pachten, Leasingaufwendungen) zu zahlen (Liquiditätsengpass).“

Liquiditätsengpass als Voraussetzung erst ab dem 3. April 2020

Erstmals wird in der Richtlinie vom 03.04.2020 präzise umschrieben, dass ein Liquiditätsengpass vorliegen muss und sich dieser aus der Differenz zwischen den tatsächlichen fortlaufenden Einnahmen aus dem Geschäftsbetrieb und den tatsächlichen laufenden, erwerbsmäßigen Sach- und Finanzausgaben ergibt. Auch in dem nach Erlass der neuen Richtlinie geänderten Formular für einen Aufstockungsantrag wurde erstmalig nach der Höhe der voraussichtlichen fortlaufenden Einnahmen aus dem Geschäftsbetrieb der Klägerin in den folgenden drei Monaten nach Antragstellung und der Höhe der aus dem erwerbsmäßigem Sach- und Finanzaufwand zu zahlenden Verbindlichkeiten in diesem Zeitraum sowie dem Liquiditätsengpass gefragt. Die neue Richtlinie war zwar vor Erlass des Bewilligungsbescheides vom 07.04.2020 in Kraft getreten, sollte jedoch ausdrücklich für den am 23.03.2020 gestellten Antrag noch keine Anwendung finden.

Da aber nur die tatsächliche Förderpraxis während des Förderverfahrens entscheidend sein kann und damit auch für den Widerruf des Förderbescheides maßgebend ist, können nicht nachträgliche Änderungen der Verwaltungspraxis herangezogen werden, um einen solchen zu begründen. Eine rechtliche Neubewertung eines Fördervorgangs kann aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit nicht Anknüpfungspunkt für eine Änderung des Zuwendungszwecks im Bewilligungsbescheid sein. Der Behörde soll nicht die Möglichkeit eröffnet werden, die rechtliche Bewertung abgeschlossener Sachverhalte offenzulassen oder einer zukünftigen rechtlichen Bewertung vorzubehalten.

Nach Erlass des Zuwendungsbescheides kann die Bewilligungsbehörde die darin verwandten Begrifflichkeiten nicht mehr frei bzw. einschränkend auslegen. Der Bescheid hat insoweit Fakten im Hinblick auf die darin zum Ausdruck kommende Verwaltungspraxis geschaffen. Der Zuwendungsempfänger muss sich auf die im Antragsverfahren gleichmäßig ausgeübte Verwaltungspraxis und den Inhalt des Bewilligungsbescheides einstellen können. Eine Änderung bzw. Präzisierung der Verwaltungspraxis im Hinblick auf die Zweckbestimmung kann insoweit nicht rückwirkend vorgenommen werden.

Da daher eine Zweckverfehlung nicht angenommen werden kann, führt dies zur Rechtswidrigkeit des Widerrufs- und Leistungsbescheides, so dass dieser aufzuheben war.

Holger Fischer
Holger Fischer
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