Neue Vergütungsregeln für Sachverständige

Zum 01.01.2021 wurde die Sachverständigenvergütung im Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) neu geregelt. Die Honorargruppen und Stundensätze in Anlage 1 des Gesetzes wurden seit 2013 nicht angepasst und haben die Marktentwicklung nicht mehr adäquat abgebildet. Auf Grundlage einer 2018 durchgeführten Marktanalyse wurden die Stundensätze nun um durchschnittlich 10 Prozent erhöht. Der als “Justizrabatt” bekannte Abschlag sollte nach dem ursprünglichen Gesetzesentwurf entfallen, wurde auf Druck der Länder aber beibehalten und von 10 Prozent auf 5 Prozent gesenkt. Anstelle von Honorargruppen sind die Stundensätze künftig nach Sachgebieten aufgeschlüsselt. Die JVEG-Novelle bringt somit einige Verbesserungen für die Sachverständigen bei der Abrechnung der Honorare und Aufwendungen, die im Folgenden kurz darstellt werden. Darüber hinaus geben wir Hinweise, wie nach neuem oder altem Recht abgerechnet werden kann.

Neuerungen JVEG-Novellierung 2021 (KostRÄndG 2021, BGBI. v. 29.12.2020 Teil I Nr. 66, S. 3229)
 

Die Dreimonatsfrist, innerhalb der die Vergütung geltend gemacht werden muss, wird beibehalten. Bei Fristversäumnis, die dazu führt, dass der Vergütungsanspruch erlischt, wird aber zumindest der Vorschussbetrag ausgezahlt, der zuvor über § 3 JVEG bewilligt worden ist (§ 2 Abs. 1 S. 2 JVEG). Damit soll die Rechtsfolge des vollständigen Verlustes der Vergütung bei Fristversäumnis abgemildert werden.

Der Betrag, ab dem ein Vorschuss für er­brachte Teilleistungen gewährt wird, wird von € 2.000 auf  € 1.000 reduziert. Damit soll die Vorfinanzierungsverpflichtung reduziert werden.

Ein neuer Satz 2 des Abs. 1 regelt, dass eine Festsetzung der Vergütung durch die Staatskasse in der Regel insbesondere dann als angemessen anzusehen ist, wenn ein Wegfall oder eine Beschränkung des Vergütungsanspruchs nach § 8a Abs. 1 (Sachverständiger gibt Befangenheitsgründe nicht an) oder 2 Satz 1 (Verstöße gegen die Verfahrensregeln der ZPO, mangelhafte Leistung, grob fahrlässig selbst herbeigeführte Befangenheitsgründe, keine Leistungserbringung trotz Ordnungsgeld) in Betracht kommt. Aus verfahrensökonomischen Gründen soll das Gericht die Vergütung dann von Amts wegen festsetzen, auch weil der Kostenbeamte die inhaltlichen Gründe schlecht selbst beurteilen kann und somit ohnehin auf die Stellungnahme des Gerichts angewiesen ist.

Die km-Pauschale wird in Abs. 2 S. 1 für Sachverständige von € 0,30 auf € 0,42 angehoben; Zeugen erhalten gegenüber dem alten Satz von € 0,25 nunmehr € 0,35 pro gefahrenen Kilometer. Damit sollen die angestiegenen Anschaffungs­- und Betriebskosten für Kfz zumindest teil­weise kompensiert werden.

Es wird in Abs. 2 S. 1 Nr. 3 und S. 2 klar­gestellt, dass für Schwarzweiß- und Farbkopien jeweils gesondert die Pauschalen für Kopien oder Ausdrucke gewährt wer­den. Das entspricht der bisher hierzu ergangenen Rechtsprechung.

Ein Wegfall der Vergütung wegen mangelhafter Leistung gem. Abs. 2 S. 1 Nr. 2 soll erst nach fehlgeschlagener Nachbesserung erfolgen. Die Mängel sollen benannt und innerhalb einer Frist beseitigt werden, es sei denn, es handelt sich um grundlegende Mängel oder um solche, deren Beseitigung unmöglich oder aus zeitlichen Gründen nicht durchführbar ist. Für die Mängelbeseitigung nach Satz 1 Nummer 2 wird eine Vergütung nicht gewährt.

Zur Vereinfachung werden den Sachgebieten direkt in der Sachgebietsliste der Anlage 1, Teil 1 zu § 9 JVEG die Stundensätze zugeordnet - nicht mehr über eine Honorarstufentabelle in § 9. Weitere Änderungen in den Absätzen 1 - 3 sind redaktioneller Art und enthalten keine inhaltlichen Änderungen.

Ein neuer Absatz 4 regelt das Honorar des Sachverständigen für die Prüfung, ob ein Grund für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vorliegt und welche Aus­sichten für eine Fortführung des Unternehmens des Schuldners bestehen (§ 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 3, auch in Verbindung mit Abs. 2 der Insolvenzordnung). Das Honorar beträgt € 120 je Stunde. Ist der Sachverständige zugleich der vorläufige Insolvenzverwalter, so beträgt sein Honorar € 95 je Stunde. Ergänzend zur alten Fassung enthält dieser Absatz in Satz 1 nun eine Regelung für den isolierten insolvenzrechtlichen Sachverständigen. Satz 2 übernimmt die Regelungen des bisherigen Abs. 2 und erweitert diese auf den als Sachverständigen bestellten vorläufigen Insolvenzverwalter im Eigenverwaltungsverfahren nach den §§ 270 ff. der Insolvenzordnung.

Das Honorar des Dolmetschers beträgt für jede Stunde € 85; die Unterscheidung zwischen konsekutivem und simultanem Dolmetschen wird aufgehoben (Abs. 5). Ger Dolmetscher erhält im Fall der Aufhebung eines Termins, zu dem er geladen war, weiterhin eine Ausfallentschädigung; neu ist, dass er versichern muss, durch die Terminsaufhebung einen Einkommensverlust erlitten zu haben.

Ein neuer Absatz 6 gewährt Sachverständigen oder Dolmetschern einen um 20 Prozent erhöhten Stundensatz, wenn die Leistung zur Nachtzeit (23 - 6 Uhr) im Sinne des Arbeitszeitgesetzes oder an Sonn- oder Feiertagen erbracht werden. Voraussetzung ist, dass die heranziehende Stelle feststellt, dass es notwendig ist, die Leistung zu dieser Zeit zu erbringen. § 8 Abs. 2 S. 2 JVEG gilt sinngemäß - bei der Berechnung der Stunden, für die ein Zuschlag gewährt wird, kann also auf die nächste halbe Stunde aufgerechnet wer­ den, wenn diese angebrochen ist.

Mit dem neuen Abs. 1 S. 2 Nr. 5 wird die Möglichkeit eingeführt, die Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen anstelle der tatsächlichen Aufwendungen über eine Pauschale in Höhe von 20 Prozent des Honorars abzurechnen, höchstens jedoch € 15.

Da sich die bisherige Regelung des § 13 Abs. 2 S. 2 JVEG in der praktischen Anwendung nicht bewährt hat und die Verfahren verzögert, wird der Halbsatz „und wenn sich zu dem gesetzlich bestimmten Honorar keine geeignete Person zur Übernahme der Tätigkeit bereit erklärt" gestrichen.

Abs. 1 S. 1 ergänzt klarstellend, dass zu der Gesamtdauer der Heranziehung auch die Zeit zählt, die Zeugen infolge der Heranziehung ihrer beruflichen Tätigkeit nicht nachgehen können.

Abs. 4 stellt klar, dass im Gegensatz zur bisherigen Regelung Zeugen aus dem Ausland nicht nur eine höhere Entschädigung für Zeitversäumnis, Nachteile bei der Haushaltsführung und für Verdienstausfall geltend machen können, sondern auch für die in Abs. 1 S. 1 Nr. 1 - 3 genannten Auslagen (Fahrtkosten, Aufwandsentschädigung und Aufwendungen.).

Mit Inkrafttreten des neuen JVEG zum 01.01.2021 stellt sich für die Personen, die in diesem Jahr ihre Vergütung oder Entschädigung für die von ihnen erbrachten Leistungen abrechnen müssen, die Frage, ob sie ihren Rechnungen bereits das neue Recht zugrunde legen können oder noch nach altem Recht abrechnen müssen.

Betroffen sind nicht nur die Sachverständigen, sondern auch die Dolmetscher, Übersetzer, sachverständige Zeugen, Zeugen und Dritte. Maßgeblicher Gebührentatbestand ist § 24 JVEG, der nachfolgenden Wortlaut hat:

§ 24 JVEG Übergangsvorschrift
Die Vergütung und die Entschädigung sind nach bisherigem Recht zu berechnen, wenn der Auftrag an den Sachverständigen, Dolmetscher oder Übersetzer vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung erteilt oder der Berechtigte vor diesem Zeitpunkt heran­ gezogen worden ist. Dies gilt auch, wenn Vorschriften geändert werden, auf die dieses Gesetz verweist.


Danach gibt es also zwei Termine, von denen die jeweilige Rechtsanwendung abhängt. Der Tag der Auftragserteilung und der Tag der Heranziehung. Das scheint zunächst eine eindeutige Vorgabe zu sein; dennoch zeigen Rechtsprechung und Kommentarliteratur Probleme auf, die die Berechtigten kennen sollten, wollen sie Abrechnungsstreitigkeiten vermeiden. Für Sachverständige gilt:

1.       Erster Auftrag

Entscheidend ist der Auftrag des Gerichts. Dazu reicht es nicht aus, dass der Sachverständige im Beweisbeschluss benannt wird; zu diesem Zeitpunkt kennt der Sachverständige den Beweisbeschluss noch nicht. Der Auftrag ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung; mithin liegt eine Auftragserteilung erst dann vor, wenn der Beweisbeschluss in den Empfangsbereich des Sachverständigen gelangt, al­so im Briefkasten liegt. Die Annahme des Auftrags ist bei gerichtlicher Auftragserteilung ohne Belang, weil zwischen dem Gericht und dem Sachverständigen kein Vertrag geschlossen wird. Es spielt daher keine Rolle, ob der Sachverständige den Auftrag sofort annimmt oder erst noch abklärt, ob ein ausreichender Kostenvorschuss eingezahlt ist oder ob eine Vereinbarung nach § 13 JVEG getroffen werden kann. Wird der Sachverständige vor Inkrafttreten der Novelle zum Unfallort gerufen, um dort die notwendigen technischen Feststellungen für ein eventuell später zu erstattendes Gutachten zu treffen, so gilt der „Ruf" an den Sachverständigen als Gutachtenauftrag im Sinne des § 24 JVEG; schreibt er erst nach dem Inkrafttreten der Novelle das Gutachten, muss er noch nach altem Recht abrechnen.

2.       Spätere Folgeaufträge

Wird ein Sachverständiger, der vor dem Inkrafttreten der Novelle ein schriftliches Gutachten erstattet hat, nach dem Inkrafttreten der Novelle vom Gericht gela­den, um das Gutachten zu erläutern, so handelt es sich dabei um einen neuen Auftrag, der nach neuem Recht abzurechnen ist. Das ist herrschende Auffassung in Rechtsprechung und Literatur; es gibt allerdings auch die gegenteilige Rechtsauslegung. Der herrschenden Auffassung ist der Vorzug zu geben, weil sie Sinn und Zweck der Vorgabe des § 24 JVEG entspricht. Dem Sachverständigen soll die Wohltat eines Vergütungsgesetzes zu Gute kommen, wenn sowohl der Auftrag zu einer Leistung als auch die eigentliche Leistung nach dem Inkrafttreten der Novelle liegen. Bei der Wahrnehmung eines Gerichtstermins kommt es grundsätzlich auf den Tag der Heranziehung, nicht auf den Tag der Ladung an (str.).

3.       Nachbesserung fehlerhafter Gutachten

Entspricht das schriftliche Gutachten nicht in vollem Umfang dem erteilten Auftrag oder ist es fehlerhaft und wird der Sachverständige aus diesem Grund zur mündlichen Erläuterung geladen, wird das von Rechtsprechung und Literatur nicht als ein zweiter Auftrag gewertet, sondern als Fortsetzung des ersten Auftrags, der lückenhaft und/oder fehlerhaft war. Der Sachverständige muss nach altem Recht abrechnen; in der Mehrzahl der Fälle hat er insoweit gar keinen Vergütungsanspruch (§ 8a Abs. 2 Nr. 2 JVEG).

4.       Selbständige Ergänzungs- oder Zusatzgutachten

Beauftragt das Gericht den Sachverständigen, ein Ergänzungs- oder Zusatzgut­achten zu erstatten, weil nachträglich von den Parteien neue Fakten oder Einwände vorgetragen wurden, ist darin ein neuer selbständiger Auftrag zu sehen, der nach neuem Recht abzurechnen ist, wenn dieser neue Auftrag nach Inkrafttreten der Novelle erfolgt ist.

5.       Heranziehung zur Hauptverhandlung im Strafprozess

Bei der Ladung des Sachverständigen zur Hauptverhandlung in einem Strafprozess, ohne dass zuvor ein schriftliches Gutachten erstattet wurde, ist der Tag des Termins maßgebend, auch wenn die Ladung noch zum Zeitpunkt der Geltung des alten Rechts erfolgte.

Sabrina Gropp
Referatsleiterin Recht

Telefon +49 3681 362-321

 E-Mail E-Mail schreiben

Eidesstattliche Versicherung Einigungsstelle Wettbewerbsrecht Gewerberecht Sachverständigenwesen Sachverständigenausschuss Schiedsgericht Wettbewerbsrecht Adressbuchverlage Internetrecht Impressum Pflichtangaben (Geschäftsbriefe) Abmahnung Wettbewerbsverstoß Auskünfte zu Rechtsfragen Rechtliche Beratung Schutzrechte Patente Geschmacksmuster Alternative Konfliktlösung Ausbildungsverträge (Rechtsfragen) Außergerichtliche Streitbeteiligung Berufsausbildungsrecht Berufsbildungsgesetz (BBiG) Erlaubniserteilung Gewerbe Erlaubnispflicht Erlaubnispflichtige Gewerbe Fachgremien (Sachverständigenwesen) Gebrauchsmuster Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) Gewerbeanmeldung/-abmeldung/-ummeldung (Rechtsfragen) Gewerbeordnung (GewO) Gewerbeuntersagung gewerblicher Rechtsschutz Haftung (Sachverständige) Immobilienbewertung (Sachverständige, Fachgremium) Marken Markenrecht Mediation Mediationsgesetz Nachwuchsgewinnung (Sachverständige) Öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige Patentamt Sachverständigenverzeichnis Schiedsgutachten Schlichtung Sicherheit von nichtmilitärischen Schießständen Unlauterer Wettbewerb Unterlassungserklärung Urheberrecht Vermögensauskunft Versteigerungen Handelsregister (Rechtsfragen) Stellungnahmen Gewerbeuntersagung Versicherungsvermittler Vermittlerregister (Versicherungsvermittler) Vermittlerregister (Finanzanlagenvermittler) Ehrenamtliche Richter Immobiliardarlehensvermittlung Vermittlerregister (Immobiliardarlehensvermittler) Immobiliardarlehensvermittler Arbeitszeitgesetz Kündigungsfristen Mahnung (Zivilrecht) Mängelrüge Mindestlohn Probezeit Prokura Rechnung (Rechtsfragen) Rechtsgeschäft Regress Salvatorische Klausel Schlichtung Berufsausbildungsverhältnisse Stellungnahmen erlaubnispflichtige Gewerbe Urlaub (Arbeitsrecht) Verbraucherrechte Vertragsrecht Aufhebungsvertrag Abgeltungsklausel Elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) Abfindung (Arbeitsrecht) Abtretung Forderung Arbeitsrecht Arbeitsvertrag Arbeitszeugnis Arglist Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) Dienstvertrag Gläubiger Krankheit (Arbeitsrecht) Kündigung (Arbeitsrecht) Kündigungsfristen Schuldner Zivilrecht Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB)