Regelschulen müssen wieder die Regel werden
Wahlforum Bildung im Haus der Wirtschaft setzt Prioritäten für künftige Landesregierung
Erstmalig hat die Industrie- und Handelskammer (IHK) Südthüringen am 23. April 2024 ein Forum zu bildungspolitischen Themen durchgeführt. Vor dem Hintergrund großer Missstände und Herausforderungen im Bildungsbereich sollen Ergebnisse des Forums anlässlich der diesjährigen Landtagswahl im Freistaat rechtzeitig in der Politik platziert werden. Allen Teilnehmern ist deutlich geworden, wie dringend die Defizite in den Thüringer Schulen angegangen werden müssen. Aus Sicht der IHK Südthüringen liegt der Schlüssel in der Stärkung der Regelschulen.
In der letzten PISA-Studie hat Deutschland das schlechteste Ergebnis seit Beginn der Studie erreicht. Erhebliche Defizite bestehen im naturwissenschaftlichen Bereich sowie im Rechnen, Lesen und Schreiben. Schlechte Bildung ist ein Risikofaktor für die heimische Wirtschaft im Hinblick auf die Fachkräftesicherung. Die Südthüringer Unternehmen und die Berufsschulen stellen verstärkt fest, dass die Kompetenzen der Schulabgänger für den Start einer Ausbildung unzureichend sind. Zum Beispiel mangelt es Schulabgängern an Grundlagen in Mathematik, am Verständnis für komplexe Aufgabe und an Alltagswissen.
Da Bildungspolitik auf Landesebene entschieden wird, ist es wichtig, dass der Freistaat Thüringen nachbessert. Vor allem der ländlich geprägte Raum hat mit Herausforderungen im Bildungssystem zu kämpfen: 40 Prozent der Lehrkräfte gehen in den nächsten Jahren in den Ruhestand und es fehlt fächerübergreifend an Lehrernachwuchs, um den Unterricht bei wieder leicht steigenden Schülerzahlen zukünftig vollumfänglich abzusichern. Zudem sind die Schulen mit heterogen zusammengesetzten Klassen überfordert. Lernschwache und lernstarke Kinder sowie Schüler mit unzureichenden Deutschkenntnissen sowie mit Lerneinschränkungen sitzen in einem Klassenzimmer, ohne dass ausreichend pädagogisches Fachpersonal für die jeweilige Situation zur Verfügung steht. Unternehmen fürchten deshalb, dass sie in der Zukunft keine geeigneten Auszubildenden mehr finden.
Am 23. April 2024 befragten Unternehmen und die IHK Südthüringen anlässlich eines Wahlforums Bildung die Vertreter aller Thüringer Landtagsfraktionen sowie den Thüringer Bildungsminister Helmut Holter dazu, wie man den Herausforderungen begegnen kann.
Bildunterschrift: Auf dem Podium des Wahlforums Bildung diskutierten v.l.n.r. Torsten Wolf (MdL, Die Linke), Ann-Sophie Bohm (Landessprecherin Bündnis 90/die Grünen), Janine Merz (MdL, SPD), Franziska Baum (MdL FDP), Christian Tischner (MdL, CDU), Uwe Thrum (MdL, AfD) und Helmut Holter (Thüringer Minister für Bildung, Jugend und Sport). ©IHK Südthüringen
Regelschulen unter Druck
Aus der Diskussion wurde deutlich, dass Probleme wie Lehrermangel und Stundenausfall in Größenordnungen vor allem an den Regelschulen bestehen. Viele Eltern würden ihre Kinder schon deshalb lieber auf ein Gymnasium schicken, wodurch sich die Probleme in der Zusammensetzung der Regelschulklassen weiter verschärfen. Es sind jedoch genau die Abgänger von Regelschulen, die die Wirtschaft braucht. Rund vier von fünf Beschäftigten haben eine Facharbeitsausbildung, für die eine schulische Ausbildung bis zur zehnten Klasse, z.B. an Regelschulen, erste Wahl ist. Um künftige Azubis besser auf die duale Ausbildung vorzubereiten, muss die Regelschule deshalb wieder zur Regel werden. Dazu gehört, ihr Ansehen zu stärken und strukturell dafür zu sorgen, dass ein Auseinanderbrechen der Klassenverbände durch eine hohe Übertrittsquote zum Gymnasium nach der vierten Klasse unterbleibt.
Forderungspapier Bildungspolitik der IHK Südthüringen
Die IHK Südthüringen wird auf Grundlage der Diskussion im Wahlforum ein Forderungspapier zur Bildungspolitik in Thüringen entwickeln. Kernpunkte werden die Stärkung der Regelschulen, längeres gemeinsames Lernen und damit der spätere gymnasiale Übertritt sein.
Suhl, 25. April 2024
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