Stillstand vermeiden

Arbeitsmarktumfrage der Thüringer IHKs

Vergangene Woche wurden seitens der Agenturen für Arbeit die Arbeitsmarktdaten für Dezember 2019 veröffentlicht. Nach Berechnungen der Industrie- und Handelskammer Südthüringen (IHK) wurden im Jahresdurchschnitt 2019 die Werte des Vorjahres erneut verbessert. Stärker als bislang sind Land und Arbeitgeber jedoch gefordert, den Fortgang der Thüringer Erfolgsgeschichte abzusichern. Dies zeigen bisher unveröffentlichte Ergebnisse einer Umfrage, die von den Thüringer IHKs durchgeführt wurde.

Im Jahresdurchschnitt waren in Thüringen in 2019 59.065 Personen arbeitslos gemeldet. Das waren 3.080 Personen weniger als ein Jahr zuvor. Noch vor zehn Jahren war die Arbeitslosigkeit in Thüringen mehr als doppelt so hoch. Im Dezember 2019 hatte Thüringen mit 5,1 Prozent die siebtniedrigste Arbeitslosenquote der deutschen Bundesländer. Lediglich in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen und Schleswig-Holstein fiel die Arbeitslosenquote geringer aus.

Angesichts der gesunkenen Arbeitslosigkeit fällt es den Unternehmen zunehmend schwerer, frei werdende Stellen wieder zu besetzen. Derzeit würden 58 Prozent der Unternehmen Neueinstellungen vornehmen. Nur jedem vierten Betrieb gelingt dies. In den anderen Unternehmen bleiben freie Stellen erst einmal unbesetzt, oft für mehrere Monate.

„Fast jeder zweite Thüringer Betrieb mit offenen Stellen muss Aufträge ablehnen. Die Thüringer Wirtschaft würde sich erheblich besser entwickeln, wenn es keine Fachkräfteengpässe geben würde. Bleiben Stellen unbesetzt, versuchen zwei von drei Unternehmen, die damit verbundene Arbeit auf die restliche Belegschaft umzuverteilen. Das gelingt aber nicht immer. Die Tätigkeiten von Spezialisten lassen sich nicht durch Mehrarbeit kompensieren. Fehlen entscheidende Mitarbeiter vor Ort, ist Zuzug aus anderen Regionen die Alternative zu Stillstand in den Unternehmen“ erklärt Jan Scheftlein, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK Südthüringen.

Ein weiterer Effekt frei bleibender Stellen sind steigende Arbeitskosten für die Unternehmen – und steigende Gehälter für die Mitarbeiter. Gute Bezahlung soll Abwanderung verhindern. Denn: In einzelnen Berufsbildern und Landkreisen zahlen inzwischen etliche Unternehmen neuen Mitarbeitern hohe Wechselprämien. Im Einzelfall erhalten auch erfolgreiche Werber entsprechende Prämien.

Überhaupt suchen die Unternehmen in erster Linie über persönliche Kontakte nach neuen Kollegen. Für 85 Prozent ist dies die Hauptsuchstrategie. Insoweit können Sportverein, Stammtisch oder gemeinsame Aktivitäten mit dem Nachwuchs zu Marktplätzen für freie Stellen werden. 68 Prozent der Unternehmen, die auf diese Weise Mitarbeiter suchen, haben damit Erfolg. Dies ist sicherlich auch Folge der sehr kleinteiligen Thüringer Unternehmensstruktur. 66 Prozent der Unternehmen wenden sich außerdem an die Agentur für Arbeit. Allerdings haben lediglich 35 Prozent der Unternehmen, die über die Arbeitsagentur suchen, damit Erfolg.
Die erstgenannten Strategien richten sich auf den heimischen Arbeitsmarkt. Die mit einem Anteil von 57 Prozent am dritthäufigsten verwendete Strategie ist die Stellenanzeige auf der eigenen Website.45 Prozent der Unternehmen, die diese Strategie einsetzen, häufig in Kombination mit Anzeigen in Onlinebörsen, konnten auf diese Weise in der Vergangenheit auch Stellen besetzen. Hierbei werden auch schon einmal überregionale Arbeitsmärkte genutzt.

Ungleich größer wird der Aufwand, wenn im Rahmen der Stellensuche systematisch Landesgrenzen überschritten werden. 29 Prozent der Thüringer Unternehmen haben den Aussagen in der Umfrage zufolge in der Vergangenheit schon einmal Mitarbeiter aus dem Ausland beschäftigt. Gerade kleine Unternehmen stellt die Vermarktung ihrer freien Stellen im Ausland vor unüberwindbare Herausforderungen. Hier ist Hilfe des Staates gefragt, um die Zuwanderung vor Ort zu managen.

Konkrete Hilfe ist erforderlich, das zeigt die Bewertung des gerade verabschiedete Fachkräfteein-wanderungsgesetzes durch die Umfrageteilnehmer. Lediglich 6 Prozent der Unternehmen erwarten, dass ihnen das Gesetz helfen wird, die Fachkräftelücken zu schließen. „Nicht abstrakte Gesetze, sondern eine koordinierte Strategie auf Landesebene, z. B. ein Landesprogramm für Zuwanderung, mit Ansprechpartnern vor Ort und einfachen Wegen benötigen die kleinen und mittleren Unternehmen, um Fachkräfteengpässe durch Zuwanderung zu schließen“, so Scheftlein.


Suhl, 08.01.2020

 

Dr. Jan Pieter Schulz
Dr. Jan Pieter, Schulz
Referent Volkswirtschaft

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