Thüringer Wirtschaft warnt vor Innovationsbremsen bei Medizinprodukten

15. Thüringer Forschungs- und Technologieforum stellt sich brisantem Thema


Viele kleine und mittlere Thüringer Unternehmen sowie Start-ups rechnen mit erheblichen Schwierigkeiten bei der Zulassung neuer innovativer Medizinprodukte. Neben Kostensteigerungen und einem höheren bürokratischen Aufwand beim Marktzugang erwarten die Firmen vor allem längere Wartezeiten für die Zertifizierung ihrer Produkte. Auf dem heutigen 15. Thüringer Forschungs- und Technologieforum der IHK Ostthüringen in Jena war deshalb die 2020 auslaufende Übergangsregelung für Medizinprodukte ein vieldiskutiertes brisantes Thema.

Die Veranstaltung wurde in Zusammenarbeit mit der IHK Erfurt, der IHK Südthüringen, dem Forschungs- und Technologieverbund Thüringen e. V., dem medways e. V. sowie dem Mittelstand 4.0 Kompetenzzentrum Ilmenau, Modellfabrik 3 D-Druck organisiert.

Die Medizinproduktrichtlinie wurde 2017 ersetzt durch die EU-Verordnung MDR (für Medizinprodukte). Aufgrund der Richtlinie benötigen die Hersteller weiter eine „Benannte Stelle“ für ihre Produkte, manche sogar erstmalig. Alle „Benannten Stellen“ müssen sich nach der EU-Verordnung neu notifizieren lassen. Erst wenn sie diesen Prozess erfolgreich umgesetzt haben, können sie auch die Zulassungsverfahren für Medizinprodukte der Unternehmen bearbeiten. Erschwerend kommt hinzu, dass sich die Zahl der „Benannten Stellen“ seit 2012 stark verringert hat. Aktuell gibt es 59 „Benannte Stellen“, 25 durchlaufen aktuell diesen Zulassungsprozess. Nur eine ist bisher in Großbritannien zugelassen.

„Aufgrund dieser Unsicherheit, ist es schwer für die Unternehmen, verbindliche Aussagen zu bekommen. Es gibt nicht nur zu wenig, sondern auch zu wenige nach der neuen Verordnung zugelassene Stellen“, erklärt Steffi Keil, Innovationsexpertin in der IHK Ostthüringen.

Betroffen von MDR ist eine breite Palette von Erzeugnissen: Sie reicht von implantierbaren Produkten wie Herzschrittmachern und Hüftprothesen über medizinische Software oder chirurgische Instrumente bis hin zu Verbrauchsmaterial, etwa Spritzen, Pflaster und Verbände.

Die unklare Rechtslage rund um die EU-Verordnung ist auch für Andreas Wolf, Geschäftsführer der Wolf-Medizintechnik GmbH in St. Gangloff ein großes Problem. Als Entwickler und Hersteller von Röntgentherapiegeräten sieht er die Innovationskraft einer ganzen Branche gefährdet. „Auch unsere Firma muss sich trotz technisch ausgereifter Produkte den Fragen von MDR stellen. Selbst eine Komponente auszutauschen, bedarf der Interaktion mit der „Benannten Stelle“ und damit möglicherweise aufgrund fehlendender Kapazitäten langer Warteizeiten“, so der Firmenchef.

Das Forum gab Tipps und Hilfestellungen, wie die Unternehmen sich auf die weiteren neuen Anforderungen der Europäischen Medizinprodukterichtlinie vorbereiten müssen. Im Mittelpunkt standen weiterhin aktuelle Forschungsergebnisse von Thüringer Unternehmen. Themen aus erster Hand waren unter anderem Apps als Medizinprodukt, Sensorik in der medizinischen Diagnostik, Monitoring und Therapie oder die Möglichkeiten von Smart Textiles sowie Digitalisierung. Für Start-ups und Jungunternehmer gab es umfangreiche Hinweise, worauf man als Medizinproduktehersteller achten muss, um erfolgreich zu sein. Zudem blieb viel Platz für den interdisziplinären Austausch.

Die Diskussion zeigte, dass viele mittelständische Firmen dringend die Rechtssicherheit benötigen, auch künftig ihre Produkte auf den Markt bringen zu können. „Der Gesetzgeber sollte deshalb praktikablere Übergangsphasen, einen Bestandsschutz für bewährte Altprodukte und Sonderregelungen für Nischenprodukte umsetzen sowie die Etablierung neuer „Benannter Stellen“ unterstützen“, fasst die IHK-Expertin Steffi Keil die Forderungen der Unternehmen zusammen.

Hintergrundinformation:
Das Thüringer Landesamt für Statistik weist für die Medizintechnik-Branche in Thüringen insgesamt 56 Betriebe (ab 20 Mitarbeitern) mit 4.650 Beschäftigten aus. Die Exportquote liegt mit fast 60 Prozent deutlich über dem Thüringer Durchschnitt für Industrieprodukte (33 Prozent). Hinzu kommen rund 400 weitere Unternehmen aus den Bereichen Pharmazie, Analytik und Biotechnologie.

Suhl, 22.05.2019

Katja Hampe
Katja Hampe
Referatsleiterin Öffentlichkeitsarbeit | Mitgliederkommunikation

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