Dynamischer Grenzwert für Covid 19-Neuerkrankungen

IHK Südthüringen fordert: Zahl der Intensivbetten muss ausschlaggebende Größe sein

Entscheidungen über Corona-bedingte Einschränkungen des Wirtschafts- und Gesellschaftslebens sollten sich stärker an den regionalen medizinischen Versorgungskapazitäten orientieren. Dies fordert die Industrie- und Handelskammer (IHK) Südthüringen. Die bislang gewählte Kennzahl von 50 oder 35 Infektionen je 100.000 Einwohner binnen einer Woche, deren Überschreiten politische Entscheidungen bis hin zu einem neuen Shutdown herbeiführen kann, scheint willkürlich und ist in dünn besiedelten Regionen zu niedrig. Die IHK Südthüringen empfiehlt stattdessen, Lockerungen und Schließungen an die Zahl der verfügbaren Intensivbetten zu koppeln und schlägt die Einführung eines Dynamischen Neuerkrankungs-Grenzwertes (DNG) vor.

Wenn es deutschlandweit binnen sieben Tagen zu 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohnern käme, würden 41.500 Menschen an Corona erkranken. Das deutsche Gesundheitssystem wäre dem gut gewachsen, wenn bis 5 Prozent der Infizierten intensivmedizinisch behandelt werden müssen. Derzeit gibt es 32.495 Intensivbetten, von denen 12.179 frei sind. Das Infektionsgeschehen verläuft jedoch nicht gleichmäßig, sondern es kommt immer wieder zu regionalen Ausbrüchen. Vor diesem Hintergrund müssen Unternehmen in Landkreisen mit geringer Bevölkerungszahl jederzeit mit wirtschaftlichem Stillstand rechnen, wenn z. B. eine Party wie am 15. Mai im ostfriesischen Leer aus dem Ruder läuft.

„Man kann die Wirtschaft nicht mit politisch willkürlichen Grenzwerten herauf- und herunterfahren, ohne dass die Unternehmen und Belegschaften auf der Strecke bleiben. Letztlich geht es darum, die Zahl der Neuinfektionen mit den verfügbaren Ressourcen in der Intensivmedizin zu synchronisieren. Wir schlagen daher vor, die Grenzwerte zur Entscheidung weiterer Maßnahmen an die freien Intensivbetten in den Kliniken zu koppeln,“ fordert Dr. Ralf Pieterwas, Hauptgeschäftsführer der IHK Südthüringen.

Internationale Erfahrungen zeigen, dass ca. 5 Prozent der Erkrankten intensivmedizinisch behandelt werden müssen. In schweren Fällen sind die Intensivbetten bis zu drei Wochen belegt. „Durch die Kopplung an die freien Intensivbetten kann das Belegmanagement der Krankenhäuser auf das Fallgeschehen flexibel reagieren. Zudem ließe sich durch die Schaffung weiterer Intensivbetten der Grenzwert für Neuerkrankungen erhöhen. Aufgrund der so entstehenden Steuerungsmöglichkeiten möchten wir für unseren Ansatz dringend werben“, sagt Dr. Pieterwas.

In der nachfolgenden Tabelle zeigt die IHK Südthüringen, ab wie vielen Neuerkrankungen es in den Südthüringer Landkreisen zu Entscheidungen über neue Einschränkungen kommen könnte. Berücksichtigung findet auch der Vorschlag von Ministerpräsident Ramelow, den Schwellwert auf 35 Neuerkrankungen herabzusetzen. Gezeigt werden außerdem die Zahl der Intensivbetten und wie viele davon gemäß DIVI-Intensivregister am 26. Mai 2020 um 11:30 Uhr verfügbar waren. Schließlich wurde der dynamische Grenzwert nach der folgenden Formel berechnet: Anzahl freie Intensivbetten x 20 / 3.
Ausgehend von der Zahl freier Intensivbetten, die für 5 Prozent der Erkrankten vorgehalten werden müssen, erfolgt eine Hochrechnung auf die Maximalzahl an Neuerkrankungen (Multiplikation mit dem Kehrwert 20). Den in der Statistik üblichen Bezug auf Neuerkrankungen pro Woche erhält man durch die Normierung auf die maximale Verweildauer in der Intensivmedizin (Division durch 3 Wochen). Der Dynamische Grenzwert an Neuerkrankungen pro Woche (DNG) muss regelmäßig anhand der verfügbaren Intensivbetten berechnet werden.

Lesebeispiel: In der Stadt Suhl sind derzeit 20 Intensivbetten frei. Der Grenzwert für politisches Handeln steigt im dynamischen Modell der IHK Südthüringen von 17 auf 133 neu Erkrankte pro Woche. In Regionen mit wenig verfügbaren Intensivbetten wie zum Beispiel im Landkreis Hildburghausen kann der dynamische Grenzwert nur unwesentlich, von 31 auf 33 Neuerkrankungen, steigen.

Hinweis: Grundlage der Berechnungen sind Daten der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder sowie Angaben des DIVI-Intensivregisters.

Suhl, 26.05.2020

Dr. Jan Pieter Schulz
Dr. Jan Pieter, Schulz
Referent Volkswirtschaft

Telefon +49 3681 362-406

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