Was die Südthüringer Wirtschaft jetzt braucht

Wirtschaft gehört endlich in den Fokus der Politik. Das Präsidium der Industrie- und Handelskammer (IHK) Südthüringen formuliert die Bedarfe der Wirtschaft und befragt die Mitgliedsunternehmen zu einer möglichen Regierungskoalition in Thüringen.

Das Gefühl, einer Politik, die eine funktionierende Wirtschaft als Basis für das Erreichen politischer und gesellschaftlicher Ziele sieht, brauchen nicht nur die Unternehmer in Südthüringen, sondern in ganz Deutschland. Aber Thüringen, dessen preisbereinigtes BIP sich im ersten Halbjahr 2024 mit einem Rückgang um -1,2 Prozent erneut schlechter entwickelt hat als Deutschland insgesamt (-0,2 Prozent), braucht die Aufmerksamkeit der Politik besonders. Selbst im ostdeutschen Vergleich steht Thüringen inzwischen am schlechtesten da, schließlich fallen die preisbereinigten BIP-Rückgänge in Sachsen und Sachsen-Anhalt im Vergleich zu Thüringen nur etwa halb so hoch aus.

Frustriert schauen die Südthüringer Unternehmer auf die neu gewählten Landespolitiker, von denen Signale ausgehen, dass die kommende Legislatur erneut geprägt sein könnte von einer Politik gegen eine erstarkte AfD, statt die drängenden Probleme in Thüringen beherzt und gemeinsam anzupacken.

„In Wirtschaft wie in Politik gilt der Grundsatz, dass es nicht ausreicht, gegen etwas zu sein, wenn man erfolgreich sein will. Vielmehr muss klar gesagt werden, was man will und wohin die Reise gehen soll und dann geht es um das kraftvolle Umsetzen. Die sich anbahnenden Machtkämpfe um das Amt des Landtagspräsidenten zeigen jedoch, wie tief Politik ausschließlich in Brandmauerdimensionen denkt und agiert, während Wirtschaft und Arbeitsmarkt abrutschen“, so der Präsident der IHK Südthüringen Torsten Herrmann 

Deshalb verwundert es nicht, dass in einer nicht repräsentativen Umfrage, an der sich 1.321 Südthüringer Unternehmer beteiligt haben, fast jeder zweite (48 Prozent) eine Koalition von CDU und AfD und somit das Niederreißen der Brandmauer in Richtung AfD präferiert. Nur knapp ein Viertel (23,5 Prozent) setzt auf das favorisierte Modell einer CDU-BSW-SPD Koalition, knapp 12 Prozent vertrauen den etablierten Parteien gar nicht mehr und votieren für eine AfD-BSW Koalition. Ein geringer Teil der Unternehmerschaft (3,9 Prozent) schlägt eine linksgerichtete Regierung mit LINKE, BSW und SPD vor.

Zur Begründung einer CDU-AfD-Koalition geben Unternehmer an, selbst Entscheidungen auf Basis der Faktenlage treffen zu müssen. Unter diesem Aspekt könne nicht einfach ein Drittel der Wählerinnen und Wähler bei der Regierungsbildung außen vorgelassen werden. Eine Beteiligung der AfD würde daher als notwendig erscheinen, um die Demokratie zu wahren. Jedoch müsse seitens der CDU die Forderung an die AfD gestellt werden, dass sie sich von rechtsradikalen und völkischen Aussagen distanziert und Herr Höcke kein politisches Amt in der neuen Regierung bekommt. 

Letztlich geht es der Wirtschaft darum, dass das Abrutschen insbesondere der Thüringer Industrie, an der viele andere Branchen hängen, politisch beachtet und gestoppt wird. Unternehmer erwarten, dass Eingriffe der Politik z. B. in die Lohngestaltung unterbleiben. Thüringen braucht zudem ein Bekenntnis der Politik, aktiv weitere Belastungen von der Wirtschaft fernzuhalten. Es braucht eine starke Thüringer Regierung, die ihre Stimme im Bundesrat erhebt, um weiteren von der Bundespolitik verursachten Schaden von der Thüringer Wirtschaft abzuwenden. Die Wirtschaft erwartet, dass Gespräche aufgenommen werden, um die Thüringer Wirtschaftsförderlandschaft der schwierigen Situation anzupassen. Unternehmer erwarten ferner, dass dafür gesorgt wird, dass Schulen als Quelle der Fachkräfteentwicklung endlich wieder funktionieren und dass sich die Landesverwaltung spürbar verschlankt, um finanzielle Spielräume für Investitionen und Wirtschaftsförderung zu öffnen.

Der Präsident der IHK erläutert seine Erwartungshaltung: „Das Präsidium der IHK Südthüringen hat die Schwerpunktthemen der Südthüringer Wirtschaft für ein neues Regierungsprogramm in einem Thesenpapier zusammengefasst, die wichtigsten Aspekte in einer Sechs-Punkte-Agenda hervorgehoben und setzt nun darauf, dass sich Landtag und Regierung konstruktiv und rasch finden, um sich den Problemen der Wirtschaft und damit des Freistaates zu widmen. Wir können und wollen nicht erneut erleben, dass ein Landtag in internen Machtkämpfen erstarrt, noch ehe er begonnen hat zu arbeiten. Das kann sich Thüringen keinesfalls leisten.“

Suhl, 25.09.2024

Dr. Ralf Pieterwas
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