Alle Hinweise der Wirtschaft abgelehnt

IHK Südthüringen enttäuscht über neue Corona-Verordnung des Freistaates

Überrascht und enttäuscht zeigt sich die Industrie- und Handelskammer (IHK) Südthüringen angesichts der neuen Thüringer Corona-Verordnung. Offenbar hat sich die Thüringer Landesregierung für die Fortsetzung des sehr restriktiven Weges entschieden, obwohl die Inzidenzwerte niedrig sind und die Impfquote steigt. Aus Sicht der IHK Südthüringen sind die Einschränkungen der persönlichen Freiheit durch den Staat nicht mehr zu rechtfertigen, da nunmehr jedem Bürger der Zugang zu seinem Gesundheitsschutz über eine Corona-Impfung möglich sei. Die Einschränkungen zum Schutz ungeimpfter Populationen gehen nicht zuletzt auch zu Lasten der Wirtschaft. Das Vertrauen in die Impfung prägt sich im Thüringer Gesundheitsministerium nur unzureichend aus. Das kann nicht mehr akzeptiert werden.

„Aus unserer Sicht sollte die neue Verordnung aufgrund des Impffortschritts deutliche Lockerungen beinhalten, um einen seitens der Kundschaft akzeptablen Geschäftsbetrieb insbesondere für das Gastgewerbe, den Einzelhandel und die Veranstaltungswirtschaft möglich zu machen. Die vorliegende September-Verordnung, die genau genommen eine Fortschreibung der Corona-Verordnungen aus den Monaten Juli und August in den Monat September hinein darstellt, wird seitens der Wirtschaft so nicht mehr akzeptiert“, sagt der IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Ralf Pieterwas.

Besonders enttäuschend ist der Umstand zu bewerten, dass alle Vorschläge der Thüringer IHKs seitens des Gesundheitsministeriums abgelehnt wurden. Dies betrifft die folgenden Punkte:

  1. Das Frühwarnsystem (§ 25 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO) erfüllt zwar unsere Forderung, weitere Indikatoren über die Inzidenz hinaus zu berücksichtigen, allerdings darf bezweifelt werden, dass dadurch der Einfluss des Inzidenzwertes relativiert wird. Zur Veranschaulichung sei darauf hingewiesen, dass der Belastungswert derzeit bei niedriger Inzidenz in Thüringen (aktuell 7 Prozent) bereits bei ca. 1,5 Prozent liegt. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Belastungswert auf mindestens 3 Prozent bei einer Inzidenz von 35 steigt, dürfte nach den Erfahrungen der letzten Monate bei 100 Prozent liegen. Bei Inzidenzwerten über 100 lag der Belastungswert in der Vergangenheit zwischen 20 und 30 Prozent. Es ist davon auszugehen, dass er den Wert von 12 Prozent bei einer Inzidenz von 200 mit Sicherheit erreichen wird. Das bedeutet, der Belastungswert wird die jeweilige indizenzbasierte Warnstufe mit hoher Wahrscheinlichkeit auslösen und nicht relativieren. Die Intervalle der Belastungswerte sind viel zu niedrig angesetzt.
    Zudem sollten die Warnstufen erst bei deutlich höheren Inzidenzwerten, als in der Vergangenheit ausgelöst werden, da durch die steigende Impfquote von wesentlich geringeren gesundheitlichen Folgen ausgegangen werden kann, als in der Vergangenheit.
  2. Darüber hinaus übernimmt bzw. legt der Freistaat Thüringen in der Corona-Verordnung keine landesweit geltenden Maßnahmen fest. In § 25 der Verordnung liegt die Zuständigkeit für weitergehende Maßnahmen weiter bei den Landkreisen und kreisfreien Städten, die über Allgemeinverfügungen erforderliche Maßnahmen regional festlegen bzw. wieder aufheben sollen. Welche Maßnahmen durch die zuständigen Behörden zu ergreifen sind, wird den Kommunen durch den Thüringer Eindämmungserlass vorgegeben, der ebenfalls in § 25 Abs. 7 der Verordnung referenziert wird. Dieser liegt in der Fassung vom 20. Juli 2021 vor und enthält die Maßnahmen des letzten Jahres von Kontaktverboten bis hin zu Schließungen von Einrichtungen und Betrieben. Noch nicht integriert sind demzufolge weitergehend zu ergreifenden Regelungen des Beschlusses der Ministerpräsidentenkonferenz vom 10. August 2021, wie die Umsetzung der 3G-Regelung. Zudem hatten wir angeregt, über den Eindämmungserlass sicherzustellen, dass die Gebietskörperschaften im Falle isolierter Corona-Ausbrüche räumlich begrenzte Maßnahmen ergreifen und auf Restriktionen für den gesamten Landkreis verzichten können, was ebenfalls auf Ablehnung stieß. Dennoch muss darauf gedrungen werden, nunmehr unverzüglich nach Veröffentlichung der Verordnung auch den Eindämmungserlass durch das Thüringer Gesundheitsministerium zu überarbeiten und mindestens die 3G-Regel als Maßnahme aufzunehmen.
  3. Die Quadratmeterbegrenzung für Kunden des Einzelhandels (§ 16 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO) muss nunmehr endlich aufgehoben werden, bleibt jedoch weiterhin Bestandteil der Verordnung.
  4. Hinsichtlich der Durchführung von Selbsttests als Voraussetzung für den Zutritt zu Einrichtungen, Veranstaltungen bzw. die Inanspruchnahme von körpernahen Dienstleistungen wiesen wir darauf hin, dass die Aufsicht der Tests durch die Unternehmen z. B. des Gastgewerbes als nicht zumutbar eingeschätzt wird. Stattdessen sollte die Anerkennung von Selbsttests durch Eigenerklärung, aber auf jeden Fall die Anerkennung von Tests aus den Betrieben, die weiterhin verpflichtet sind, Tests anzubieten, in die Verordnung aufgenommen werden. Unverständlicherweise erfolgte dies ebenfalls nicht.

Trotz der Ankündigung der Politik, für den Herbst eine neue Strategie auf Basis des Impffortschritts und der neuen Erkenntnisse zu entwickeln, bleibt diese aus. Stattdessen erleben wir bei Frau Ministerin Werner Mutlosigkeit und ein „Weiter so“ in Sachen Corona.

Suhl, 23. August 2021

Dr. Ralf Pieterwas
Hauptgeschäftsführer

Telefon +49 3681 362-301

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