Normalität in weiter Ferne

IHK Südthüringen veröffentlicht Konjunkturbericht Jahresbeginn 2021

Die aktuelle Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK) Südthüringen zeigt ein zweigeteiltes Bild: Baugewerbe und Teile der Industrie senden Signale der Erholung. Auch im Großhandel und Güterverkehr laufen die Geschäfte nicht mehr auf Sparflamme. Hingegen ist die Stimmung im Gastgewerbe, Teilen des Einzelhandels und der Dienstleistungswirtschaft im Keller. Schon jetzt lässt sich konstatieren: Die Südthüringer Wirtschaft erholt sich vom Lockdown des vergangenen Frühjahres – doch bis die alte Normalität wieder zurück ist, wird es noch lange dauern.

Derzeit bewerten 27 Prozent der Unternehmen ihre Geschäfte als gut, weitere 33 Prozent als saisonüblich bzw. befriedigend und 40 Prozent als schlecht. Für die kommenden Monate erwarten 14 Prozent bessere Geschäfte, 45 Prozent keine Veränderung und 41 Prozent eine weitere Verschlechterung. Der Konjunkturklimaindikator, der ein geometrisches Mittel der Lage- und Erwartungseinschätzungen bildet, erreicht 79,9 Punkte auf der 200-Punkte-Skala. Das sind 4 Punkte weniger als im Herbst 2020. Vor einem Jahr, direkt vor dem Corona-Ausbruch in Deutschland, wurden 98,3 Punkte erzielt. Auf dem Tiefpunkt der Wirtschafts- und Finanzkrise im Herbst 2008 waren es 77,7 Punkte.

Verzugsschaden zu später Corona-Hilfen
„Machen wir uns nichts vor: Die Corona-Pandemie kostet richtig Geld. Betroffenen Unternehmen wurden zwar großzügige Hilfen ins Schaufenster gestellt, doch die zugesagten Gelder fließen erst nach Monaten. Der Verzugsschaden bemisst sich wie folgt: Jedes vierte Unternehmen hat Liquiditätsengpässe, 41 Prozent melden den Rückgang ihres Eigenkapitals, 22 Prozent zunehmende Forderungsausfälle und 12 Prozent eine hohe Belastung für Kredite. Jedes zehnte heimische Unternehmen ist von der Insolvenz bedroht, wobei das Gastgewerbe durch das nahezu vollständige Betätigungsverbot besonders angeschlagen ist“, erklärt Dr. Ralf Pieterwas, Hauptgeschäftsführer der IHK Südthüringen.
 

Investitionen und Beschäftigungen rückläufig
Die heutigen Belastungen schränken zukünftiges Wachstum ein. So müssen sich Unternehmen bereits heute auf Anforderungen der Märkte ausrichten, doch lediglich zwei von drei Betrieben planen in den kommenden Monaten Investitionen. Manches wird nur noch zu Ende geführt, jedes vierte Unternehmen wird verausgabte Summen dieses Jahr zurückfahren. Zugleich lassen Bemühungen auf dem Arbeitsmarkt nach, den demografischen Wandel durch Anwerbestrategien abzufedern. Nur 5 Prozent der Unternehmen erwarten in den kommenden Monaten einen Personalaufbau, während 18 Prozent von weniger Mitarbeitern ausgehen – dabei sind der Arbeitsmarktstatistik zufolge bisher nur wenige Abgänge der Pandemie geschuldet.

Industrie spürt Aufwind
Trotz der gesamtwirtschaftlichen Tristesse gibt es einzelne Lichtblicke, die aufgrund der damit verbundenen Anteile an der Bruttowertschöpfung Erholungssignale aussenden. So hat sich in der Industrie die Stimmung zuletzt aufgehellt. Knapp jedes zweite Unternehmen erreicht sogar die sog. Normalauslastung von mindestens 80 Prozent seiner Kapazitäten. Leicht verbessert stellen sich auch Auftragseingang und Auftragsreichweite dar. Die Folge: Eines von fünf Unternehmen plant wieder Erweiterungsinvestitionen, auch wenn ansonsten kostensparende Rationalisierungsinvestitionen hoch im Kurs stehen. Die Erholung konzentriert sich auf Wirtschaftszweige wie die Kunststoffindustrie und Hersteller von elektronischen und optischen Erzeugnissen. Verbesserungen gibt es auch im Maschinenbau. In der für Südthüringen prägenden Metallindustrie ist hingegen wegen der Nähe zum Fahrzeugbau keine Erholung erkennbar.

Umsatzplus in Baubranche 
Auch die Lage im Baugewerbe stellt sich positiv dar. So verfügen 31 Prozent der Unternehmen über eine Auftragsreichweite von vier und mehr Monaten, 53 Prozent sind über die kommenden zwei bis drei Monate versorgt. Mehr als die Hälfte der Unternehmen ist es gelungen, die Angebotspreise weiter zu erhöhen. Das bedeutet: die Nachfrage nach Bauleistungen übersteigt auch weiterhin das Angebot bei weitem.

Großhandel optimistisch, stationärer Einzelhandel leidet 
Ganz anders stellt sich hingegen die Situation im Handel dar: Hier macht nur der Großhandel passable Geschäfte, während im Einzelhandel lediglich der Onlinevertrieb Sonderkonjunktur hat. Über die Hälfte der Südthüringer Händler geht angesichts des zeitlich unbestimmten Lockdowns zu Jahresbeginn von Verschlechterungen aus. Viele Unternehmen sehen sich wegen der Ungewissheit der weiteren Entwicklung nicht imstande, eine Prognose für die nächsten Monate abzugeben.

Geschäfte im Güterkraftverkehr entspannen sich
Im Güterkraftverkehr verfügen drei Viertel der Fuhrunternehmer über eine Kapazitätsauslastung von 70 Prozent und mehr. Dieser Anteil markierte zwar in den vergangenen zehn Jahren das untere Drittel, ist jedoch gegenüber Herbst 2020 bereits um 17 Prozentpunkte höher. Dies spiegelt auch der LKW-Fahrleistungs-Index der amtlichen Statistik wider, der sich bis zum Jahresende kontinuierlich verbessert hatte. Seit Beginn dieses Jahres unterliegt er allerdings großen Schwankungen, was auf die geschrumpften Transportvolumina infolge des Lockdowns zurückzuführen ist. Das heißt: die Mehrheit der Unternehmen in der Branche fürchtet weitere Belastungen.

Lage und Ausblick im Gastgewerbe düster
Im Gastgewerbe ist der Umsatz der meisten Unternehmen momentan nahe null. Ergo: Die Stimmung ist schlecht, die Geschäftserwartungen fallen ebenfalls zurückhaltend aus. Zu unklar ist zur aktuellen Stunde, wann und in welchem Umfang Lockerungen folgen. Nach Ausfällen des Weihnachtsgeschäfts und Traum-Winters bleibt offen, ob und wie viele Oster- und Pfingstgäste es geben wird.

Heterogenes Bild in Dienstleistungsbranche
Im übrigen Dienstleistungssektor ergibt sich ein gemischtes Bild. Die Spannbreite reicht von einem Stimmungsaufschwung in Bereichen der freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen bis hin zu monatelangem Stillstand in den Reisebüros.

Mehr testen, mehr impfen und Corona-Gelder verfestigen  
„Das Coronavirus stellt für 80 Prozent der Unternehmen ein Risiko für die weitere wirtschaftliche Entwicklung dar. Führende Ökonomen haben recht, wenn sie einen smarten Umgang mit dem Virus einfordern. Das heißt: Mehr testen und impfen, um Regionen mit wenig Neuinfektionen eine schnellere Rückkehr zur Normalität zu ermöglichen. Des Weiteren müssen staatliche Unternehmens-Entschädigungen verfestigt und beschleunigt werden, sodass geschlossene Unternehmen nicht mehr in Notlage geraten“, fordert IHK-Chef Dr. Pieterwas.

Zur Information:
Die Konjunkturumfrage Jahresbeginn 2021 wurde vom 14. Dezember 2020 bis zum 14. Januar 2021 unter 945 repräsentativ ausgewählten Mitgliedsunternehmen der IHK Südthüringen durchgeführt.

Suhl, 5. Februar 2021

Dr. Jan Pieter Schulz
Dr. Jan Pieter, Schulz
Referent Volkswirtschaft

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