Südthüringer Handel steht vor Zerreißprobe

IHK Südthüringen veröffentlicht Arbeitsmarktdaten

Die Hilferufe der Handelsbranche sind inzwischen unüberhörbar laut angesichts der dramatischen Lage einzelner Branchenbereiche. Während Lebensmittel- und Online-Handel gute bis signifikant steigende Umsatzzahlen verzeichnen, stehen viele stationäre Händler im Bekleidungssegment oder mit anderen Gebrauchsgütern wirtschaftlich mit dem Rücken zur Wand. Der aktuelle Lockdown droht, einen maßgeblichen Teil der betroffenen Händlerschaft Südthüringens in die Insolvenz zu stürzen und so die Innenstädte nachhaltig zu verändern. Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Südthüringen fordert für Betroffene sofortige Liquiditätssicherung, den Ausbau von staatlichen Hilfeleistungen sowie Planungssicherheit.

Einzelhandel, Groß- und Außenhandel, Handelsvermittler sowie Kfz-Handel einschließlich Kfz-Werkstätten bilden den Wirtschaftszweig „Handel“. Gemessen am steuerbaren Jahresumsatz ist dieser die zweitstärkste Branche der Südthüringer Wirtschaft nach dem verarbeitenden Gewerbe. Im Handel bestehen ca. 15.000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse, die zusammen knapp 2,5 Milliarden Euro an steuerbarem Umsatz generieren – davon macht der Einzelhandel mit einem Umsatzwert von ca. 1,1 Mrd. Euro etwa 45 Prozent der Wirtschaftskraft im Handelsbereich aus. „Diese Wirtschaftsleistung wird durch die aktuellen Lockdown-Bestimmungen in weiten Teilen beschnitten und in vielen Fällen ohne Perspektive zurückgelassen“, benennt Steffen Bock, Geschäftsführer der Bock Handelsunternehmen GmbH, die Tragweite der derzeitigen Eingriffe in die Wirtschaft.

Bereits der Lockdown im Frühjahr des letzten Jahres hat betroffene Branchen wie den Modehandel dazu gezwungen, große Teile ihrer finanziellen Rücklagen aufzubrauchen. Nach der schrittweisen Wiedereröffnung Ende April und Anfang Mai 2020 hat sich für das Gros der Händler ein weitgehend normales Sommergeschäft abgezeichnet. Dies stellte sich im Corona-Herbst in gewisser Weise als Nachteil heraus: Zahlreiche stationäre Händler wurden im sog. Lockdown light zwar mit Umsatzeinbußen durch ausbleibende Kunden konfrontiert, erfüllten jedoch nicht die Voraussetzungen, um Überbrückungshilfe II in Anspruch nehmen zu können. Die angekündigte Überbrückungshilfe III soll dem Einzelhandel zumindest einen Zuschuss zu den ungedeckten Fixkosten gewähren. Wann diese beantragt werden kann, ist jedoch nach wie vor unbekannt. Dietmar Kersten, Vorsitzender des Ilmenauer Kaufleute und Gewerbetreibende e. V., zeigt sich verärgert über die unzureichenden Hilfsmaßnahmen der Politik: „Unsere Zahlkraft ist am Ende. Dennoch wird sehenden Auges in Kauf genommen, dass vielen Einzelhändlern nur der Ausweg in die Insolvenz bleibt. Wir fordern eine angemessene Entschädigung, dass wir als Unternehmer mit unserer Belegschaft die Krise finanziell überleben. Auch Vermieter müssen hier stärker in die Pflicht genommen werden.“

Dass der Handelsbereich ein heterogenes Feld ist, beweist ein Blick auf die Branchen, die trotz Krise sehr gut dastehen und ihren Umsatz teilweise sogar steigern konnten. Der Fahrradhandel erlebte einen ungeahnten Boom. Zu Beginn des Krisenzeitraums wurden die damals noch geöffneten Baumärkte regelrecht überrannt. Der Online-Handel erntete durch das geänderte Einkaufsverhalten drastische Zuwächse. Auch der Lebensmitteleinzelhandel hatte Probleme, die zeitweise stark erhöhte Nachfrage nach bestimmten Produkten zu bedienen. „Ein wirksames Hygienekonzept und dessen konsequente Durchsetzung verhindern zuverlässig die Ausbreitung der Infektion, wie sich im zu keinem Zeitpunkt geschlossenen Lebensmittelhandel zeigt. Diese Erkenntnis ist auch auf die anderen Bereiche des stationären Handels übertragbar, die ebenso verantwortungsvoll agieren“, bekräftigt Katja Fiedler, Geschäftsführerin der REWE Markt GLOCK GmbH & Co. OHG, ihre Einschätzung für eine Wiederaufnahme des regulären Betriebs der geschlossenen Geschäfte.

Ohne ein kurzfristiges Nachschärfen finanzieller Hilfen werden viele geschlossene Handelsunternehmen die nächsten Wochen nicht überstehen. Dies gilt umso mehr, sollte der Lockdown abermals verlängert werden. „Das Fehlen einer konkreten langfristigen Perspektive, wann die Geschäftsgrundlage durch eigenständiges Wirtschaften wiedererlangt werden kann, zermürbt die Händlerschaft“, zeigt sich Dr. Ralf Pieterwas, Hauptgeschäftsführer der IHK Südthüringen, ernsthaft besorgt über die weitere Entwicklung.

Die Möglichkeit zum „Click & Collect“, also der Abholung bestellter Waren, laut geänderter Thüringer Corona-Sonderverordnung ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Hiernach müssen jedoch weitere folgen. Der Abbau unnötiger bürokratischer Lasten, wie die strengen Bestimmungen zur Samstagsbeschäftigung und der Anlassbezug zur Sonntagsöffnung nach Thüringer Ladenöffnungsgesetz, engen den angeschlagenen Einzelhandel in der gegenwärtigen Situation zusätzlich ein. Der stationäre Handel muss bei seinen Bemühungen zur verstärkten Digitalisierung von staatlicher Seite konkretere Unterstützung erfahren, um seine zukunftsfähige Ausrichtung zu befördern. „Fällt der stationäre Handel der Pandemie zum Opfer, werden die Innenstädte ihre Attraktivität und ihr Gesicht verlieren“, mahnt Dr. Pieterwas mit Blick auf die dringend notwendigen Unterstützungsmaßnahmen.

Suhl, 12. Januar 2021

Jan Scheftlein
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