Fernab der Realität: Thüringer Ladenöffnungsgesetz

Südthüringer Handelsbranche fordert von Thüringer Landesregierung praxistaugliche Vorgaben ein

Beim Thüringer Ladenöffnungsgesetz hat die Landesregierung bislang Beharrlichkeit, um nicht zu sagen Sturheit bewiesen. Bereits seit 2012 zeichnet sich der Freistaat durch eine bundesweit einmalige restriktive Regelung aus. Diese verbietet die Beschäftigung von Arbeitnehmern in Verkaufsstellen an mindestens zwei Samstagen im Monat. Gerade an diesen umsatzstärksten Tagen der Woche stehen dem Handel damit effektiv im Wochenverlauf die wenigsten Mitarbeiter zur Verfügung. Eine spürbare Verschlechterung der Beratungsqualität für die Kunden und eine höhere Arbeitsbelastung für das anwesende Personal sind die Folge. Die derzeitige 2G-Regelung für weite Teile des Einzelhandels in Thüringen verschärft die Personalsituation mit der Umsetzung der Kontrollpflicht zusätzlich. Die Branche fordert vom Gesetzgeber daher eine schnellstmögliche rechtliche Kurskorrektur.

Die restriktive Vorgabe zur Mitarbeiterbeschäftigung beruht auf § 12 Abs. 3 des Thüringer Ladenöffnungsgesetzes (ThürLadÖffG). Diese sog. „Regelung zum Besonderen Arbeitnehmerschutz“ soll die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessern. In der Praxis muss jedoch festgestellt werden, dass diese Regelung die Lebenswirklichkeit sowohl auf Arbeitnehmer- als auch auf Arbeitgeberseite verfehlt. Viele Beschäftigte wünschen sich gerade eine flexiblere Arbeitszeitgestaltung, was vielfach auch Freizeit in der Woche bedeutet – sei es um Kinderbetreuung abzusichern oder Behördengänge zu erledigen.

Moderne Arbeitgeber haben ebenso ein großes Interesse daran, ihren Mitarbeitern ein attraktives und zeitgemäßes Arbeitsumfeld zu bieten, schon allein angesichts des flächendeckenden Mangels an Fachkräften. Das individuelle Eingehen auf die Wünsche der Mitarbeiter wird durch ein faktisch zeitweises Beschäftigungsverbot, was der § 12 Abs. 3 ThürLadÖffG letztendlich bedeutet, erheblich erschwert. „Mit der jetzigen Regelung stehen mir samstags im Schnitt nur 50 Prozent meiner Mitarbeiter zur Verfügung, während es unter der Woche 70 Prozent sind. Wenn dann noch Mitarbeiter erkrankt sind, sich in Quarantäne oder im Urlaub befinden, ist es unmöglich, die Öffnungszeiten adäquat mit Personal abzudecken. Ich möchte die Behörde sehen, die mit nur 50 Prozent ihres Personals ihre Aufgaben zu vollster Kundenzufriedenheit erfüllen kann“, beschreibt Raphael Brönner, Geschäftsführer der Brönner Baustoffe KG in Arnstadt und Vorsitzender des Handelsausschusses der Industrie- und Handelskammer (IHK) Südthüringen, die prekäre Lage. „Die Regelung manifestiert eine nicht tragbare Belastung der Mitarbeiter. Es kann nicht im Sinne einer Landesregierung sein, dass ein solcher Zustand für die Arbeitnehmer aufrechterhalten wird“, so Brönner weiter.

Es ist der Anspruch des stationären Handels, seinen Kunden ein Höchstmaß an Service zu bieten und darüber hinaus ein attraktives Einkaufserlebnis zu bescheren. Diese Aspekte, gepaart mit einem positiven persönlichen Kontakt zu den Verkäufern und Produkten, sind es, die das Einkaufen vor Ort gegenüber dem Online-Shopping abheben und viele Menschen dazu bewegen, die Geschäfte in ihrer Heimat aufzusuchen. Gerade an den frequenzstarken Samstagen kann der Handel diesem Anspruch kaum gerecht werden, weil insbesondere in beratungsintensiven Sortimenten wie Bekleidung oder Elektronik die verfügbare Personaldecke zu dünn ist, um sämtliche Kundenwünsche zu befriedigen. Dies sorgt für Frustration und Enttäuschung auf Seiten der Kunden und der Unternehmen.

Die derzeitige 2G-Regel für weite Teile des Einzelhandels verschärft die ohnehin schwierige Situation für die Branche zusätzlich. Die Beschränkung des Kundenzugangs auf nachweislich gegen Corona geimpfte oder von Covid-19 genesene Personen bedeutet einen erheblichen Kontrollaufwand, der zusätzlich personelle Ressourcen bindet, die dann nicht für das eigentliche Verkaufs- und Beratungsgeschäft zur Verfügung stehen. An den Samstagen macht sich dies in doppelter Hinsicht mit gleichzeitig mehr Kunden und weniger Mitarbeitern bemerkbar.

„Der Staat verlagert die hoheitliche Aufgabe der Personenkontrolle per Verordnung auf die Unternehmerschaft. Gleichzeitig wird bei Abweichungen mit empfindlichen Sanktionen gedroht. Dieser Zustand ist für die Unternehmen untragbar und läuft ihrem eigentlichen Geschäftsgegenstand sowie den Sitten eines guten Kundenumgangs zuwider. In Kombination mit der aus der Zeit gefallenen Bevormundung durch § 12 Abs. 3 des ThürLadÖffG wird der stationäre Handel substanziell geschwächt und seine Möglichkeiten, die Corona-Krise zu überwinden, nachhaltig vermindert. Wir fordern die Thüringer Landesregierung auf, diese Fehlentwicklung in der Gesetzgebung endlich zu korrigieren und den Unternehmen und ihren Beschäftigten zeitgemäße Freiheiten bei der Arbeitszeitgestaltung zuzugestehen“, appelliert Dr. Ralf Pieterwas, Hauptgeschäftsführer der IHK Südthüringen, in eindeutiger Weise an die Landesregierung. „Vorschläge wie der der CDU-Fraktion, dass Mitarbeitern das Wahlrecht eingeräumt wird, auf eigenen Wunsch einen weiteren Samstag im Monat zu arbeiten, liegen auf dem Tisch und stellen einen Vorstoß in die richtige Richtung dar. Die aktuelle Lage drängt mehr denn je darauf, dass die Thüringer Regierungsparteien endlich ihre Blockadehaltung ablegen müssen“, so der IHK-Chef weiter.

Suhl, 25. Januar 2022

Dr. Ralf Pieterwas
Hauptgeschäftsführer

Telefon +49 3681 362-301

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Thomas Leser
Referent Regionalplanung, Handel & Verkehr

Telefon +49 3681 362-132

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