Wahlversprechen gebrochen – Strompreis-Entlastung nicht für gesamte Wirtschaft vorgesehen
Vertrauen wird leichtfertig verspielt
Trotz zahlreicher Ankündigungen zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes bleibt die Bundesregierung konkrete Entlastungen für Gewerbe, Handel und Dienstleistungen insbesondere beim Strompreis erneut schuldig. Aus Sicht der Industrie- und Handelskammer (IHK) Südthüringen geht sukzessive Vertrauen in die wirtschaftspolitische Agenda der Bundesregierung verloren.
Die Bundesregierung streicht die im Koalitionsvertrag zugesagte allgemeine Entlastung der Strompreise durch die Senkung der Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß.
„Die hohen Strompreise gefährden den gesamten Wirtschaftsstandort. Große Versprechen standen über den Koalitionsvertrag im Raum, aber die Realität sieht anders aus. Schon jetzt ist fraglich, wieviel Wert die Tinte auf dem Koalitionsvertrag überhaupt hat. Die Bundesregierung verspielt leichtfertig das Vertrauen der Wirtschaft mit einer erneut vertanen Chance auf spürbare Entlastung. Es ist ein Armutszeugnis der wirtschafts- und finanzpolitischen Agenda der Bundesregierung, dass selbst eine im Verhältnis kleine Entlastung über die Senkung der Stromsteuer für viele Branchen und Verbraucher nicht möglich sein soll, diese aber die Kosten einer Reduktion für andere tragen. Es ist ein schwieriges Verständnis der neuen Bundesregierung in Sachen Möglichkeiten und Wirklichkeit. Prioritätensetzung ist entscheidend“, kritisiert Torsten Herrmann, Präsident der IHK Südthüringen.
Die aktuellen Entscheidungen zur Verteilung von Haushaltsmitteln sorgen in der Südthüringer Wirtschaft für Unmut. Der Bundeshaushalt wächst um über sechs Prozent. Zudem werden Teile des 500 Milliarden Euro Infrastruktur-Sondervermögens nicht zweckgebunden ausgeben. So dient die Rekordverschuldung zu großen Teilen konsumtiven Ausgaben. Dringend benötigte strukturelle Entlastung der Wirtschaft und Investitionen bleiben aus.
„Bevor verteilt werden kann, muss eingenommen werden. Wenn insbesondere zugesagte Entlastungen ausbleiben, wird die Steuerkraft der Wirtschaft weiter geschwächt und der nötige Vertrauenszuwachs bleibt aus“, betont Torsten Herrmann.
Und wer das wirtschaftliche Fundament mit immer neuen Belastungen schwächt, wird bald keine Einnahmen mehr verteilen können. Wenn Investitionen ausbleiben, Arbeitslosigkeit steigt und Unternehmen abwandern, ist der Schaden irreversibel. Das gilt für Deutschland, aber auch Europa“, betont Dr. Pieterwas.
Kritik besteht ebenfalls an den jüngsten Plänen der EU-Kommission im Rahmen des Clean Industrial Deal. Zwar ist die Möglichkeit zur Einführung eines Industriestrompreise zu begrüßen. Doch gleichzeitig sendet das Vorhaben falsche Signale.
„Die Bedingungen, die an einen Strompreis für energieintensive Industrien geknüpft werden sollen, etwa eine feste Preisuntergrenze und die Verpflichtung, mindestens 50 Prozent der Reduktion in die grüne Transformation zu investieren, sind realitätsfern. Wer verlangt, dass die Hälfte der Hilfen in die grüne Transformation fließt, und gleichzeitig neue Förderungen ausschließt, legt der energieintensiven Industrie weitere Fußfesseln an. Die Transformation muss marktwirtschaftlich möglich sein und kann nicht durch neue Subventionierungsregeln und starre Quoten ersetzt werden. Die Wirtschaft braucht günstige Energie, keine weiteren Bürokratieauflagen“, sagt Dr. Ralf Pieterwas, Hauptgeschäftsführer der IHK Südthüringen.
Auch die Erwartung, dass diese Investitionen nicht zusätzlich von weiteren Subventionen profitieren dürfen, wird kritisiert. In der derzeitigen wirtschaftlichen Lage mangelt es nicht an Wachstums- und Transformationswillen, sondern an Spielräumen.
„Europa ist längst nicht mehr in der komfortablen Situation, sich mit moralischen Bedingungen selbst im Weg zu stehen. Klimaneutralität ist kein Selbstzweck und auch kein Exportschlager. Sie muss sich wirtschaftlich tragen lassen, denn niemand und kein Land dieser Welt verzichtet freiwillig auf Wohlstand. Wettbewerbsfähigkeit bleibt der Schlüssel. Das muss die EU-Kommission endlich einsehen“, warnt Dr. Pieterwas abschließend.
Suhl, 26. Juni 2025

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