Muss das jetzt auch noch sein?
Kein staatlicher Eingriff in das Lohngefüge – schon gar nicht jetzt
Heute steht der Entwurf des Mindestlohnerhöhungsgesetzes im Bundestag zur Abstimmung. Damit endet das parlamentarische Verfahren, an dessen Ende am 1. Oktober 2022 eine außerplanmäßige Erhöhung des gesetzlichen Mindestbruttostundenlohns auf 12 Euro stehen soll. Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Südthüringen verwehrt sich erneut gegen staatliche Eingriffe in den Preismechanismus. Aber noch stärker schmerzt der Zeitpunkt der Einführung.
Die Erhöhung des gesetzlichen Mindestbruttostundenlohns stellt keine Lappalie dar. Nach Angaben der Bundesregierung entstehen der Wirtschaft hierdurch in diesem Jahr steigende Lohnkosten in Höhe von 1,63 Mrd. Euro und im nächsten Jahr um 5,63 Mrd. Euro. Dieser Rechnung liegen allerdings nur die direkten Lohnsteigerungen zugrunde. Erhebliche Mehrkosten ergeben sich infolge von Anpassungen der innerbetrieblichen Lohnabstände, um Unterschieden in der Qualifikation und in den Aufgaben der Mitarbeiter gerecht zu werden. In Zeiten steigender Preise für Rohstoffe und Vorprodukte setzt dies die Unternehmen unnötigerweise erheblich unter zusätzlichen Druck.
„Bereits einmal hat der Staat Lohnuntergrenzen geschaffen. Erhöhungen des seit 2017 geltenden gesetzlichen Mindestbruttostundenlohns wurden jedoch in die Hände der Mindestlohn-Kommission gegeben, die von den Tarifpartnern getragen wird. Einmal eingeführt bleiben willkürliche Anpassungen nach politischer Opportunität selten aus. Genau dies soll jetzt geschehen. Die Wirtschaft ächzt unter den Folgen der Corona-Pandemie und des Kriegs in der Ukraine. Der Staat hat jedoch Gefallen an seiner gesetzlichen Gestaltungsmacht gefunden und begegnet dem Marktprozess mit Misstrauen. Politische Festlegungen können jedoch niemals besser sein, als der komplexe Preis- und Lohnfindungsprozess auf Märkten. Statt des politisch gewünschten Ziels stärkerer gesellschaftlicher Teilhabe erwartet die IHK Südthüringen einen erhöhten Kostendruck, der schwer weiter zu geben sein wird“, erklärt Dr. Ralf Pieterwas, Hauptgeschäftsführer der IHK Südthüringen.
Der Mindestlohn ist in diesem Jahr bereits gestiegen. Die erste Anpassung erfolgte im Januar von 9,60 Euro auf 9,82 Euro. Die zweite Anpassung ist für Juli vorgesehen. Dann soll der Mindestlohn von 9,82 Euro auf 10,45 Euro stiegen. Die dritte Stufe käme im Oktober 2022 mit einer nochmaligen Anhebung von 10,45 Euro auf 12,00 Euro pro Stunde. Unternehmen müssen nach diesen Planvorgaben ihren Mitarbeitern binnen eines Jahres 25 Prozent mehr Lohn zahlen – bei gleicher Arbeitsleistung.
Nach Erhöhung des gesetzlichen Mindestbruttostundenlohns kommen Vollzeitbeschäftigte auf ein monatliches Bruttoeinkommen in Höhe von 2.080 Euro. Anhand der Entgeltstatistik der Bundesagentur für Arbeit lässt sich erkennen, dass es vor allem in Ostdeutschland zu Lohnsteigerungen kommen wird. Zum 31.12.2020 verdienten 12 Prozent der deutschen Vollzeitbeschäftigten monatlich weniger als 2.000 Euro brutto. In den alten Bundesländern waren es 10 Prozent, in den neuen Bundesländern 18 Prozent.
Die Einbeziehung von Berlin verschleiert jedoch, dass in den ostdeutschen Flächenländern die Wirtschaft noch stärker betroffen ist. Thüringen erreicht einen Anteil von 21 Prozent, in Südthüringen sind es sogar 22 Prozent. Ein Anstieg der Löhne ist vor allem im Helfersegment zu erwarten, wo in Südthüringen jeder zweite Beschäftigte weniger als 12 Euro brutto in der Stunde verdient. Angesichts der hohen regionalen Betroffenheit ist absehbar, dass es nicht allen hiesigen Unternehmen gelingen kann, die gesetzlichen Lohnsteigerungen in Preiserhöhungen für ihre Kunden umzumünzen. Die IHK Südthüringen erwartet Arbeitsplatzverluste und Firmenzusammenbrüche als Folge dieses sozialistischen Experiments in Zeiten höchster wirtschaftlicher Anspannung.
Zudem ist zu befürchten, dass die Verhandlungen der Tarifpartner die Lohnspirale und die Inflation weiter anheizen werden. Die Politik sollte dies nicht zusätzlich befeuern und die Mindestlohnerhöhung zunächst um ein Jahr verschieben.
Suhl, 3. Juni 2022
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