In der Rezession

Konjunkturbericht Herbst 2024 der IHK Südthüringen für Thüringen

Immer mehr Thüringer Branchen rutschen in die Rezession. Die Stimmung in den meisten Unternehmen fällt verhalten aus, die Geschäftserwartungen für die nächsten Monate lassen keine Besserung erwarten. Eine andere Wirtschaftspolitik ist erforderlich, vor allem in Brüssel und Berlin. Diese Ergebnisse liefern die Konjunkturumfragen Herbst 2024 der Thüringer Industrie- und Handelskammern (IHK), die die IHK Südthüringen zusammengefasst und ausgewertet hat.

Bereits im vergangenen Jahr ist die Thüringer Wirtschaft in eine Rezession gerutscht. Erste Daten des Arbeitskreises Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder zeigen für das erste Halbjahr 2024 keine Entspannung. Nur wenig besser als Baden-Württemberg verbuchte Thüringen mit minus 1,2 Prozent den zweitstärksten Rückgang des Bruttoinlandsprodukts. Vor allem in der Industrie und im Baugewerbe kam es zu erheblichen Umsatzrückgängen.

Hinter den Statistiken stehen viele Schicksale kleiner und mittlerer Unternehmen. Laut IHK-Umfrage machen immerhin 20 Prozent der Betriebe gute Geschäfte. 43 Prozent betrachten ihre Lage als saisonüblich bzw. befriedigend und 37 Prozent als schlecht. In den kommenden Monaten rechnen acht Prozent mit besseren Geschäften. 44 Prozent erwarten hingegen eine weitere Verschlechterung. Bewahrheiten sich diese Erwartungen, dauert es noch bis zum ersehnten Wirtschaftsaufschwung.

Der Konjunkturklimaindikator, ein geometrisches Mittel der Lage- und Erwartungseinschätzungen der Unternehmen, erreicht 73 von 200 möglichen Punkten. Vor einem Jahr waren es acht Punkte mehr. Ein Wert unter 100 Punkten weist auf eine Wirtschaftskrise hin. Am besten ist die Lage der Ostthüringer Wirtschaft mit 83,6 Punkten. In Mittel- und Nordthüringen werden 73,6 Punkte erreicht und in Südthüringen 62,5 Punkte.

Eine Wirtschaftspolitik als Konjunkturrisiko

„Seit 2018 schütteln multiple Krisen die Thüringer Wirtschaft durch. Die Produktionskosten steigen, während die Nachfrage zurückgeht. Für jedes zweite Unternehmen hat sich innerhalb des letzten Jahres die Ertragslage verschlechtert. Trotz dieser Nachrichten forcieren die Bundesregierung und die EU den Umbau der Gesellschaft. Diese Politik ist hochtoxisch, denn sie geht an die Substanz. Das Mindeste in der aktuellen Situation ist daher ein Belastungsmoratorium, das den Unternehmen erlaubt, Veränderungen vorzunehmen und gleichzeitig Gewinne zu erzielen“, erklärt Dr. Ralf Pieterwas, Hauptgeschäftsführer der IHK Südthüringen.

Für 69 Prozent der Unternehmen stellt die Wirtschaftspolitik das wesentliche Konjunkturrisiko dar. Dahinter steht die Besorgnis über geopolitische Entwicklungen, über zunehmende Kosten, über eine im internationalen Vergleich überhöhte Besteuerung, über Belastungen durch die allgegenwärtige Bürokratie und über einen immer stärker um sich greifenden Personalmangel. Klar benannt werden von 60 Prozent die Arbeitskosten, von 57 Prozent die Energiepreise und von 57 Prozent die zu geringe Binnennachfrage.

Mangelt es an Nachfrage, so lassen sich keine Gewinnsteigerungen aus Investitionen erwarten. Die Investitionsneigung geht seit vier Jahren zurück. In den nächsten Monaten werden lediglich 61 Prozent der Unternehmen investieren. Hierbei steht die Ersatzbeschaffung im Zentrum. Investitionen, die die Wettbewerbsfähigkeit erhöhen, finden sich kaum. 17 Prozent planen Kostensenkungen, 15 Prozent die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen und acht Prozent die Vergrößerung ihrer Betriebe.

Zugleich weisen die Beschäftigungserwartungen nach unten. Sechs Prozent der Unternehmen rechnen mit einer wachsenden Belegschaft, 25 Prozent erwarten einen Rückgang. Die Ursachen sind vielschichtig. Neben konjunkturellen Gründen weisen 43 Prozent der Unternehmen auf unbesetzte Stellen hin, die bereits seit etlichen Monaten frei sind. Hintergrund ist die Alterung der Gesellschaft.

Blick in die Branchen

Die Thüringer Industrie ist erheblich von der Krise betroffen. 66,4 Punkte erreicht ihr Konjunkturklimaindikator. Besonders kritisch ist die Lage der Hersteller von Metallerzeugnissen, die häufig der kriselnden Automobilindustrie zuliefern. Am besten läuft es für die Nahrungsmittelindustrie. In der Industrie mussten 60 Prozent der Unternehmen in den letzten zwölf Monaten einen Auftragsrückgang hinnehmen, so dass für 57 Prozent der Auftragsbestand zu klein ist. Lediglich 37 Prozent erreichen eine Kapazitätsauslastung von mindestens 80 Prozent. Die Folge ist eine sinkende Investitionsneigung. Außerdem ist mit einem Beschäftigungsrückgang zu rechnen.

Der Konjunkturklimaindikator des Thüringer Baugewerbes erreicht 63,8 Punkte. Besonders schlecht fällt die Stimmung im Tiefbau aus, erheblich besser ist sie im Ausbaugewerbe. Die Investitionszurückhaltung der gewerblichen Wirtschaft und ein stockender Wohnungsbau führen zu erheblichen Auftragslücken. Lediglich mit dem öffentlichen Bau lassen sich nicht die notwendigen Margen erreichen. Die Branche ist darauf angewiesen, dass die Konjunktur wieder anzieht. Bis dahin nutzt die Branche die Zeit für Investitionen. Allerdings erwarten viele Unternehmen sinkende Mitarbeiterzahlen.

Im Handel fällt der Konjunkturklimaindikator auf 57,0 Punkte. Drei Viertel der Unternehmen berichten, dass die Ausgabefreudigkeit der Kunden im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen ist. Der Großhandel ist darüber hinaus von der Schwäche der anderen Branchen betroffen. Der Handel reagiert mit Investitionszurückhaltung. Auch die Beschäftigungserwartungen fallen negativ aus.

Das Verkehrsgewerbe hat die schwere Krise zu Beginn des Jahres hinter sich gelassen. Der Konjunkturklimaindikator erreicht 71,1 Punkten. Drei von vier Unternehmen erreichen eine Kapazitätsauslastung von mindestens 70 Prozent. Zugleich hat sich aber für 61 Prozent der Unternehmen die Ertragslage verschlechtert, jedes dritte macht Verlust. Es fehlt eine Kompensation für die gestiegenen Kosten für Sprit, Energie, Löhne und Maut. Die Investitionsneigung fällt stärker als in den vergangenen Monaten aus, deren Ziel der Erhalt des Fahrzeugbestandes ist. Der Nachwuchsmangel könnte dazu führen, dass jeder zweite Betrieb Mitarbeiter verliert.

Im Gastgewerbe erreicht der Konjunkturklimaindikator 89,3 Punkte, weil zumindest die Geschäftslage mehrheitlich positiv beurteilt wird. Dessen ungeachtet hat sich für jedes zweite Unternehmen die Ertragslage im Vergleich zum Vorjahr verschlechtert. Die gestiegenen Kosten für Lebensmittel, Energie und Löhne fallen höher als die Umsatzsteigerungen aus. In den kommenden Monaten werden zwei von drei Unternehmen mit Fokus auf Ersatz investieren. Jeder sechste Betrieb plant außerdem neue Angebote. Im Personalbereich sind nur geringe Veränderungen zu erwarten.

Vergleichsweise gut ist die Stimmung der Thüringer Banken mit einem Konjunkturklimaindikator von 94,3 Punkten. Noch erlauben die geldpolitischen Rahmenbedingungen auskömmliche Geschäfte. Jedes zweite Institut erwartet jedoch infolge der Konjunkturabschwächung schlechtere Geschäfte. Die Investitionsneigung der Branche ist sehr hoch, doch der Personalbestand ist weiter rückläufig.

In der Dienstleistungswirtschaft erreicht der Konjunkturklimaindikator 82,7 Punkte. Besonders gut ist die Stimmung der Reisebüros, besonders schlecht bei Hausmeisterdiensten und im Garten- und Landschaftsbau. In der Branche beurteilen die Unternehmen ihre Lage mehrheitlich positiv, doch die Erwartungen fallen schlecht aus. Allerdings hat sich in den letzten 12 Monaten für knapp die Hälfte der Unternehmen die Ertragslage verschlechtert. Damit einhergehend sinken die Investitionsplanungen. Auch die Beschäftigungserwartungen fallen erstmals seit 2005 deutlich negativ aus.

Zur Information:
Die Thüringer IHKs haben im September 2024 ihre Herbst-Konjunkturumfragen durchgeführt. Die hier getroffenen Aussagen beruhen auf der Auswertung von insgesamt 900 Antworten. Weitere Ergebnisse finden Sie unter www.suhl.ihk.de/konjunktur.

Suhl, 13.11.2024

Dr. Jan Pieter Schulz
Referent Volkswirtschaft

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