Wenn der Dampf auf der Strecke bleibt

IHK Südthüringen kritisiert Einstellung des Bahn-Nostalgieprogramms durch Landesregierung

Es braucht schon viel Fantasie, um Entscheidungen nachzuvollziehen, die zur Einstellung erfolgreicher und beliebter Projekte führen. Mit dem Finanzierungsstopp des Nostalgieprogramms für Dampflokfahrten in Thüringen beerdigt die Landesregierung genau ein solches Projekt – zum Unverständnis vieler Beteiligter. Dabei ist es nicht allein das Ansehen der historischen Zugfahrten, das auf der Strecke bleibt, sondern es sind auch die damit wegbrechenden Einkünfte im Tourismus und Gastgewerbe. Angesichts dringend benötigter positiver Impulse zur Überwindung der Krisenfolgen ist dies aus Sicht der Industrie- und Handelskammer (IHK) Südthüringen das völlig falsche Signal zur falschen Zeit.

Seit vielen Jahren bieten die quer über Thüringen verteilten Angebote mit historischen Dampf- und Dieselloks Bahn-Nostalgie zum Einsteigen und Erleben. Besucher kommen teils von jenseits der Landesgrenzen, um die einzigartigen Fahrten durch die malerischen Thüringer Landschaften mitzumachen oder von außen zu bestaunen. Umso überraschender kam der Entschluss des Thüringer Ministeriums für Infrastruktur und Landwirtschaft (TMIL), den Zuschuss von jährlich rund 500.000 Euro ab dem kommenden Jahr einzustellen und damit das beliebte Programm auslaufen zu lassen. „Mir stellt sich die Frage, ob Thüringen auf Touristen verzichten kann. Anders lässt sich diese Entscheidung für mich nicht deuten“, zeigt sich Dr. Ralf Pieterwas, Hauptgeschäftsführer der IHK Südthüringen, verwundert.

Man kann die Nostalgiefahrten nicht isoliert betrachten. Die Angebote sind zumeist mit weiteren touristischen Attraktionen kombiniert, sei es ein Besuch in der Viba Nougat-Welt oder im Metallhandwerksmuseum Steinbach-Hallenberg. Diese Erlebnispakete erfreuen sich großer Beliebtheit und generieren Wertschöpfung in der Region, gerade auch in Gastronomie und Beherbergung. „Für die Erholungsphase dieser Branchen nach der Krise sind solche Angebote immens wichtig. Das Gastgewerbe leidet derzeit unter aufgebrauchten finanziellen Rücklagen, Corona-Auflagen und erheblichen Personalengpässen“, erklärt Dr. Pieterwas. Jüngste Ergebnisse der Konjunkturumfrage und einer Blitzumfrage im Gastgewerbe unterstreichen diese Probleme. Speziell in der Gastronomie befindet sich der Konjunkturklimaindikator mit einem Wert von 69,7 weiter auf Talfahrt.

Dass die Entscheidung allein auf ministerieller Ebene ohne Einbeziehung der weiteren Akteure getroffen wurde, entwürdigt die erfolgreiche und gut organisierte ehrenamtliche Vereinsarbeit. Ohne sie wäre die Instandhaltung und der Betrieb der historischen Lokomotiven nicht möglich. Der Wegfall der Zuschussgelder würde diese Strukturen nachhaltig schwächen. Haushälterische Zwänge und das Gebot der Sparsamkeit auf Seiten der Regierung sind grundsätzlich verständlich, hier kann jedoch mit verhältnismäßig geringem Mitteleinsatz viel bewirkt werden. Wie passt es zusammen, dass knapp 10 Mio. Euro in die Weiterentwicklung des Dampflokwerks Meiningen zu einer Dampflok-Erlebniswelt investiert werden, Wirtschafts- und Infrastrukturministerium sich aber nicht einmal gemeinsam finanziell in der Lage sehen, mit einer halben Million jährlich dieses Kulturgut zu den Menschen in die Fläche zu tragen?

Noch im September 2020 bekräftigte die Landesregierung, das Nostalgieprogramm um weitere sechs Jahre ab 2022 verlängern zu wollen – als Werbung für das Bahnfahren und zur Stärkung des Thüringen-Tourismus. Der Entschluss in diesem Jahr stellt eine nicht nachvollziehbare 180 Grad-Wende dar. „Thüringen braucht touristische Magnete, um Tagesbesucher und Übernachtungsgäste anzuziehen. Das Bahn-Nostalgieprogramm stellt die elegante Möglichkeit dar, touristische Leuchttürme mit einer in der Fläche des Landes präsenten Attraktion zu verbinden“, hebt der IHK-Chef die Eigenart des Projektes hervor. Die IHK Südthüringen appelliert eindringlich an den Freistaat Thüringen, die Finanzierung des Programms abzusichern. Das Programm muss mindestens für so hochgradig beliebte und stark nachgefragte Angebote wie den „Rodelblitz“ durch den Thüringer Wald erhalten bleiben.

Suhl, 29. Okotber 2021

Dr. Ralf Pieterwas
Dr. Ralf Pieterwas
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