Alte und neue Herausforderungen begleiten den Aufschwung

Konjunkturbericht Herbst 2021 der IHK Südthüringen

Die Südthüringer Wirtschaft erholt sich zunehmend vom tiefen Wirtschaftseinbruch in Folge der staatlichen Corona-Politik in den vergangenen 19 Monaten. Für dieses Jahr ist mit einem preisbereinigten Wirtschaftswachstum um 2 bis 2,5 Prozent zu rechnen. Die Wirtschaft bleibt aufgrund von Materialengpässen und einer erneut angespannten Fachkräftesituation unter ihren Möglichkeiten. Dies sind die Hauptergebnisse der Konjunkturumfrage Herbst 2021, die die Industrie- und Handelskammer (IHK) Südthüringen im September 2021 unter ihren Mitgliedsunternehmen durchgeführt hat.

Der Konjunkturklimaindikator, mit dem die IHK Südthüringen die Lage- und Erwartungseinschätzungen der Unternehmen in einem Wert zusammenfasst, steigt um 18 Punkte auf 98,4 von 200 maximal möglichen Punkten. Der deutliche Anstieg signalisiert die Rückkehr auf den Wachstumspfad. Ein Wert unter 100 Punkten aber zeigt, dass viele Unternehmen weiterhin vor großen Herausforderungen stehen.

Hierbei stellt sich die Wirtschaftslage bereits wieder sehr positiv dar: 38 Prozent der Unternehmen bewerten ihre laufenden Geschäfte als gut, weitere 40 Prozent als saisonüblich bzw. befriedigend. Viele verfügen über eine gute Auftragslage oder können im Geschäft mit Privatkunden gute Umsätze erzielen. Allerdings wären die Geschäfte weitaus besser, wenn tatsächlich alle Kundenwünsche bedient werden könnten. Fehlende Vorprodukte zusammen mit Engpässen im Personalbereich sowie Sorgen über die Reaktion der Behörden auf die Pandemieentwicklung beeinträchtigen die Geschäftserwartungen: In den kommenden Monaten erwarten 13 Prozent der Unternehmen bessere Geschäfte, 58 Prozent keine Veränderung und 29 Prozent Einbußen.

„Die Entkopplung von Aufträgen und Produktion beeinträchtigt die Wirtschaft deutschlandweit. Das zeigen auch die heute veröffentlichten Konjunkturzahlen des Deutschen Industrie- und Handelskammertags e. V. (DIHK), der die Umfragen der 79 IHKs zusammenfasst. Die Südthüringer Wirtschaft kann sich dem Stau vor den Seehäfen weltweit und den begrenzten Transportkapazitäten im Hinterland nicht entziehen. Erste Preissenkungen für Industrierohstoffe zeigen, dass die marktwirtschaftlichen Lieferketten langsam wieder in Gang gekommen. Mit einer Normalisierung, die auch die Öl- und Gaspreise betrifft, kann aber wohl erst in 2022 gerechnet werden. Die IHK Südthüringen teilt daher mit dem DIHK die Zuversicht, dass die Wirtschaft nächstes Jahr erheblich stärker wachsen wird“, erklärt Dr. Ralf Pieterwas, Hauptgeschäftsführer der IHK Südthüringen.

Der Materialmangel stellt das Hauptrisiko für die wirtschaftliche Entwicklung dar. 78 Prozent der Unternehmen erwarten wirtschaftliche Einbußen, wenn Vorprodukte fehlen. Weitere wichtige Risiken bilden die Fachkräfteengpässe mit einem Anteil von 68 Prozent, die Energiepreise mit 57 Prozent, die Arbeitskosten mit 56 Prozent und das Coronavirus mit 53 Prozent.

Die Mehrheit der Unternehmen erwarten aber, dass sich die Märkte in den kommenden Monaten normalisieren und die Pandemie bald Geschichte ist. Die Materialengpässe infolge des starken weltweiten Aufschwungs werden dann verschwunden sein. Dies äußert sich in einer hohen Investitionsneigung. Drei von vier Unternehmen planen in den kommenden Monaten Investitionsprojekte. Insbesondere Erweiterungs- und Modernisierungsinvestitionen sollen zunehmen. Dies stellt ein starkes Aufschwungssignal dar.

Mit Macht zurück ist jedoch das strukturelle Risiko der Fachkräfteengpässe. Es begleitet die hiesige Wirtschaft seit 2013. Seither verlassen mehr inländische Beschäftigte altersbedingt den Arbeitsmarkt als Jüngere nachkommen. Nur durch Zuwanderung ließ sich in den letzten Jahren der Beschäftigungsstand halten. Im Zuge des Wirtschaftseinbruchs wurden trotzdem Mitarbeiter freigesetzt. Die Unternehmen sind daher zuversichtlich, in den kommenden Monaten die Zahl der Mitarbeiter zu steigern. 11 Prozent erwarten Neueinstellungen, 79 Prozent eine gleichbleibende Beschäftigtenzahl.

Blick in die Branchen

Deutlicher als alle anderen Branchen kehrt die Industrie auf den Wachstumskurs zurück. Der Konjunkturklimaindikator erreicht 111,6 Punkte, 20 Punkte mehr als im Frühsommer 2021. Allerdings macht es einen Unterschied, welchem Wirtschaftszweig die Unternehmen angehören. Lage und Erwartungen fallen gut aus in Maschinenbau, Optik, Elektronik und weiteren Wirtschaftszweigen, die wenig mit den Umbrüchen in der Fahrzeugindustrie zu tun haben. Weniger gut sind Lage und Erwartungen für die Kunststoffindustrie und viele Hersteller von Metallerzeugnissen. Insgesamt bleibt die Südthüringer Industrie unter ihren Möglichkeiten durch den Mangel an Vorprodukten und reagiert mit Preissteigerungen, um den Anstieg der Materialkosten zu kompensieren.

Ein ähnliches Bild liefert das Baugewerbe. Auch hier beherrschen Material- und Fachkräfteengpässe das Bild. 46 Prozent der Unternehmen sind vier Monate und mehr durch Aufträge ausgelastet, weitere 43 Prozent zumindest für die kommenden zwei bis drei Monate. Gut ausgelastet ist auch das Verkehrsgewerbe. 71 Prozent der Fuhrunternehmen erreichen eine Kapazitätsauslastung von 80 Prozent und mehr. Dies ist außerordentlich viel und daran wird sich in den kommenden Monaten wenig ändern. Jeder fünfte Fuhrbetrieb erwartet jedoch eine sinkende Mitarbeiterzahl.

Bezogen auf den Handel erwarten viele Beobachter, dass sich in den kommenden Monaten die in den Lockdown-Monaten aufgestaute Kaufkraft der privaten Haushalte bemerkbar machen wird. Zwar hat sich die Lage vieler Händler inzwischen wieder entspannt, doch bleibt eine hohe Unsicherheit im Erwartungsbereich. Am besten entwickeln sich die Geschäfte der Großhändler, die vielfach nicht nur Firmenkunden, sondern auch private Kunden bedienen.

Im Gastgewerbe profitieren die Beherbergungsbetriebe vom Deutschlandtourismus, während die Abneigung vieler Gäste vor dem Aufenthalt in geschlossenen Räumlichkeiten, die Abstandsregeln und zunehmend die 3G-Regelung Tristesse für das Geschäftsmodell vieler Gastronomen bedeutet. Das Coronavirus und erhebliche Fachkräfteengpässe beeinträchtigen die Entwicklung der Branche.

Die Dienstleistungswirtschaft liefert ein uneinheitliches Bild. Hervorragend ist die Stimmung im Bereich Information und Kommunikation und hier vor allem für Dienstleister der Informationstechnologie. Auch für die Finanz- und Versicherungsdienstleister hat sich lageseitig die Stimmung verbessert, doch verursacht die Niedrigzinspolitik weiterhin vielfältige Schwierigkeiten. Seit der Vorumfrage hat sich hingegen die Stimmung der Architektur- und Ingenieurbüros verschlechtert. Ihre Leistungen werden wieder stärker gefragt sein, wenn sich der Aufschwung vollkommen entfaltet. Im Übrigen weisen Dienstleister für Firmenkunden derzeit eine bessere Geschäftslage auf als solche für Privatkunden.

Suhl, 28. Oktober 2021

 

Dr. Jan Pieter Schulz
Dr. Jan Pieter, Schulz
Referent Volkswirtschaft

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