Abschwung verfestigt sich
Konjunkturumfrage Herbst 2024 der IHK Südthüringen
Nur wer ein sehr starkes Fernglas hat, sieht möglicherweise Licht am Horizont. Zuvor muss jedoch der Abschwung die Talsohle erreichen. Die Wirtschaft in Südthüringen ist in trüber Verfassung. Lichtblicke gibt es nur wenige. Die Erwartungen für die nächsten Monate fallen schlecht aus. Die Konjunkturumfrage Herbst 2024 der Industrie- und Handelskammer Südthüringen (IHK) zeigt, dass sich der Abschwung verfestigt.
Thüringen gleitet immer stärker in die Rezession. Das Thüringer Bruttoinlandsprodukt (BIP) ging nach Angaben der amtlichen Statistik im ersten Halbjahr 2024 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum preisbereinigt um 1,2 Prozent zurück. Das ist der zweitschlechteste Wert aller Bundesländer. Die Ergebnisse der aktuellen Konjunkturumfrage passen ins Bild. Lediglich 19 Prozent der Unternehmen bewerten ihre Lage als gut, 39 Prozent als saisonüblich bzw. befriedigend und 42 Prozent als schlecht. In den kommenden Monaten rechnen nur vier Prozent mit besseren Geschäften, 43 Prozent mit einer stabilen Entwicklung und 53 Prozent mit einer Verschlechterung.
Der Konjunkturklimaindikator der IHK Südthüringen geht im Vergleich zur Frühsommer-Umfrage um weitere neun Punkte auf 62,5 von 200 möglichen Punkten zurück. Vor einem Jahr wurden 70,3 Punkte erreicht. Der Konjunkturklimaindikator ist ein geometrisches Mittel aus den Lage- und den Erwartungseinschätzungen der Unternehmen. Übersteigt der Indikator die 100-Punkte-Marke, spricht man von einem Aufschwung, bei Werten darunter von einem Abschwung.
„Jedermann sehnt den Aufschwung herbei. In Deutschland beginnt jeder Aufschwung mit zunehmenden Auslandsaufträgen der Industrie. In Südthüringen haben drei von vier Industriebetrieben Auslandsaufträge. Das sind mehr als in den letzten zwei Jahren. Auch der Anteil der Betriebe mit zunehmender Auslandsnachfrage nimmt nach zweijähriger Durststrecke wieder zu, ist aber mit elf Prozent noch sehr gering. Selbst wenn sich hier gerade der Trend wendet, erscheint die Situation weiter sehr fragil“, erklärt Dr. Ralf Pieterwas, Hauptgeschäftsführer der IHK Südthüringen.
Neue Chancen für Exportwirtschaft
Erschwert wird die Entwicklung des Exports durch eine zunehmende Fragmentierung der Weltwirtschaft. Hier ist kluges politisches Handeln gefragt, indem den Unternehmen neue Chancen eröffnet werden. Ansatzpunkte könnten eine international wettbewerbsfähige Besteuerung, Bürokratieabbau und die Förderung von Innovationen sein. Den Unternehmen fehlt jedoch zunehmend das Vertrauen in die Politik. 63 Prozent sehen in den wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen eine erhebliche Gefahr für die Konjunktur. Weitere wichtige Risiken bestehen in den Arbeitskosten und den Energiepreisen mit jeweils 61 Prozent sowie in der Inlandsnachfrage mit 59 Prozent.
Solange die Mehrzahl der Betriebe keine Perspektive erkennen kann, steht Investitionszurückhaltung auf dem Programm. Lediglich 59 Prozent der Unternehmen planen in den kommenden Monaten Investitionen. Dabei stehen Modernisierung und Ersatz im Vordergrund. Jedes fünfte Unternehmen setzt außerdem auf Vorhaben zur Kostensenkung. Insbesondere in der Industrie stehen außerdem F&E-Investitionen auf der Agenda.
Freisetzungen und Personalmangel gehen miteinander einher
Die Beschäftigungsentwicklung verhält sich ambivalent. Einerseits bedeutet Personalabbau Kostensenkung in Zeiten mit schlechter Auftragslage. Andererseits fehlen demografiebedingt notwendige Mitarbeiter auf dem Südthüringer Arbeitsmarkt. Daher erwarten zwar 26 Prozent der Unternehmen, dass ihre Mitarbeiterzahl sinkt, während nur vier Prozent von steigenden Beschäftigtenzahlen ausgehen. Zugleich verfügen jedoch 43 Prozent der Unternehmen über unbesetzte Stellen, für die sie zum Teil schon seit Monaten geeignete Personen suchen.
Die Finanzlage stellt sich für 54 Prozent der Unternehmen noch als unproblematisch dar. Im Vergleich zum Frühsommer ist dieser Anteil um sechs Prozentpunkte gesunken. Jedes dritte Unternehmen meldet einen Eigenkapitalrückgang, jedes fünfte leidet unter Liquiditätsengpässen. 15 Prozent berichten von zunehmenden Forderungsausfällen.
Blick in die Branchen
Für die Industrie stellen die hohen Kosten für Energie und Personal und die zu geringe Nachfrage wesentlichen Risiken für die wirtschaftliche Entwicklung dar. Die geringe Nachfrage äußert sich in Leerlauf. Für 57 Prozent hat sich die Auftragslage im Vergleich zum Vorjahr verschlechtert. Die Kapazitäten sind lediglich für 42 Prozent der Unternehmen profitabel ausgelastet, elf Prozentpunkte weniger als vor einem Jahr. Spiegelbildlich verhält sich hierzu die Ertragslage, die sich für 57 Prozent innerhalb des letzten Jahres verschlechtert hat.
Im Baugewerbe läuft zwar der Tiefbau, doch in der gesamten Branche ist die Stimmung schlecht. Wegen der Investitionszurückhaltung vieler Unternehmen stockt der Gewerbebau. Die Entscheidung für ein Eigenheim fällt derzeit ebenfalls zögerlich. Daher ist der Auftragseingang für 62 Prozent der Unternehmen im Vergleich zum Vorjahr gesunken. Momentan verfügen 23 Prozent über eine Auftragsreichweite von vier und mehr Monaten, 25 Prozent von zwei bis drei Monate und 52 Prozent von bis zu einem Monat. Angesichts dessen hat sich die Ertragslage für 59 Prozent verschlechtert.
Der Handel hat es mit zurückhaltenden Kunden zu tun. Die Endverbraucher üben sich in Konsumzurückhaltung, weil sie wegen Kriegen, Krisen und Inflation sowie der schlechten Nachrichten aus den Unternehmen wenig Neigung zu großen Anschaffungen verspüren. Etwas besser laufen die Geschäfte mit Firmenkunden. Insgesamt melden 21 Prozent der Unternehmen Umsatzsteigerungen im Vergleich zum Vorjahr, doch für 45 Prozent ergab sich ein Umsatzrückgang. Die Ertragslage hat sich lediglich für 11 Prozent verbessert, für 57 Prozent hingegen verschlechtert.
Das Verkehrsgewerbe befindet sich in der Kostenfalle. Zwar hat im Jahresverlauf die Auslastung wieder zugenommen. 77 Prozent erreichen eine Kapazitätsauslastung von mindestens 70 Prozent. Dieser Anteil entspricht dem Durchschnitt der letzten zehn Jahre. Angesichts hoher Kraftstoff- und Energiekosten sowie steigender Personalkosten verschlechterte sich jedoch die Ertragslage für zwei von drei Unternehmen.
Das Gastgewerbe konnte die Folgen der Corona-Pandemie und der hohen Inflation in den meisten Fällen nicht kompensieren. Lediglich für fünf Prozent der Unternehmen stieg in den vergangenen zwölf Monaten der Umsatz, für 64 Prozent blieb er unverändert und für 31 Prozent fiel er geringer aus. Speziell im Beherbergungssegment melden 58 Prozent der Unternehmen eine gleichbleibende Zahl an Übernachtungen und Bettenauslastungen, während 42 Prozent von verringerten Gästezahlen berichten. Die Ertragslage verschlechterte sich für 55 Prozent, für 45 Prozent blieb sie unverändert.
Die Dienstleistungswirtschaft zeigt sich sehr heterogen, doch die Stimmung hat sich inzwischen angeglichen. Lediglich für 16 Prozent der Unternehmen verbesserte sich der Umsatz, blieb für 44 Prozent unverändert und verschlechterte sich für 40 Prozent. Die Auftragslage gestaltet sich für 13 Prozent besser und für 49 Prozent unverändert. Für 38 Prozent sind die Aufträge gesunken. Mit diesen Rahmendaten hat sich für 13 Prozent die Ertragslage verbessert, für 40 Prozent blieb sie gleich und für 47 Prozent verschlechterte sie sich.
Zur Information: Die Konjunkturumfrage der IHK Südthüringen fand vom 9. September bis 3. Oktober 2024 statt. Befragt wurden rund 900 Südthüringer Unternehmen aller Branchen. Der Konjunkturbericht Herbst 2024 der IHK Südthüringen ist abrufbar unter: www.suhl.ihk.de/konjunktur.
Suhl, 28.10.2024
+49 3681 362-406