„Enkel-Trick“ Wie weit gehen die Warn-, Prüf- und Schutzpflichten einer Bank?
Es ist gemeinhin anerkannt, dass sich ein Zahlungsdienstleister in der Regel schon wegen der Massenhaftigkeit der Geschäftsvorgänge auf eine rein formale Prüfung des Inhalts, ob der ihm erteilte Auftrag seinem äußeren Erscheinungsbild nach in Ordnung ist, beschränken darf. Es würde die Prüf-, Warn- und Schutzpflichten von Kreditinstituten bei weitem überspannen, wollte man ihnen abverlangen, jede, und sei es erstmalige, Abhebung eines hohen Bargeldbetrages durch einen älteren, nervös wirkenden Menschen auf Plausibilität zu prüfen. Dies entschied das Landgericht Dortmund (LG) am 21.01.2024, Az. 3 O 340/23.
Sachverhalt:
Die 67-jährige Klägerin unterhält bei der Beklagten ein privates Girokonto. In der Vergangenheit hatte sie üblicherweise kleinere Bargeldbeträge zwischen 30 und 300 Euro von dem Konto abgehoben. Am 17.07.2023 gegen 15:55 Uhr rief die Klägerin im Kundencenter der Beklagten an und erkundigte sich danach, ob sie am selben Tag noch 25.000 Euro in bar abheben könne. Weil solche Bargeldabhebungen in kleineren Filialen der Beklagten vorab angemeldet werden müssen, rief die Klägerin bei der Hauptstelle der Beklagten an, die den Betrag bereitstellte. Kurz nach 16:30 Uhr erschien die Klägerin in der Hauptstelle. Der rechte Flügel der Eingangstür war bereits geschlossen. Der zuständige Mitarbeiter in der Hauptstelle händigte ihr die 25.000 Euro trotzdem noch aus.
Später behauptete die Klägerin, sie sei Opfer des sogenannten „Enkel-Tricks“ geworden. An jenem Tag habe sich ein Anrufer am Telefon mit einer unterdrückten Rufnummer als Polizeibeamter vorgestellt und angegeben, dass ihre Tochter einen schweren Verkehrsunfall verursacht habe. Für die Entlassung aus dem Polizeigewahrsam müsse beim LG eine Kaution hinterlegt werden, was sie dann auch getan habe. Sie habe das Geld vor dem Gebäude einem Mitarbeiter der inzwischen geschlossenen Gerichtskasse übergeben.
Die Klägerin war der Ansicht, anhand der gesamten Umstände, Wunsch einer Seniorin „mit altmodischem Vornamen“ nach sofortiger Abhebung eines nach ihrem bisherigen Abhebeverhalten ungewöhnlich hohen Geldbetrages, hätte es sich für die Mitarbeiter der Bank förmlich aufdrängen müssen, dass die Klägerin Opfer eines Enkel-Tricks sein könnte. Als mit derartigen betrügerischen Phänomenen vertraute Bankmitarbeiter hätten sie nachfragen und die Klägerin auf die Gefahren hinweisen müssen. Insoweit bestehen Prüf-, Warn- und Schutzpflichten, die die Beklagte schuldhaft verletzt habe, weshalb sie der Klägerin auf Schadensersatz hafte.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Gründe:
Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte gemäß BGB und anderen Anspruchsgrundlagen komme nicht ernsthaft in Betracht, ist mangels Verletzung einer Nebenpflicht aus dem Girovertrag nicht gegeben. Die Beklagte war vielmehr zur Ausführung des ihr erteilten Zahlungsauftrages gesetzlich verpflichtet. Es ist gemeinhin anerkannt, dass sich ein Zahlungsdienstleister in der Regel schon wegen der Massenhaftigkeit der Geschäftsvorgänge, auch bei Bargeldauszahlungen am Schalter, auf eine rein formale Prüfung des Inhalts, ob der ihm erteilte Auftrag seinem äußeren Erscheinungsbild nach in Ordnung ist, beschränken darf. Zwar ist ebenso anerkannt, dass Warn- und Hinweispflichten des Kreditinstituts bestehen können, diese sind jedoch auf die seltenen Ausnahmefälle beschränkt, dass Treu und Glauben nach den Umständen des Einzelfalls gebieten, vor Ausführung des Auftrags vorherige Rückfrage bei dem abhebewilligen Bankkunden zu halten, um diesen vor einem möglicherweise drohenden Schaden zu bewahren. Um die Banken nicht übermäßig zu belasten und auch um Bargeldabhebungen nicht übermäßig zu erschweren, beschränken sich die Warn- und Hinweispflichten auf objektive Evidenz aufgrund massiver Verdachtsmomente, zusätzliche Prüfungspflichten sollen gerade nicht begründet werden.
Die Klägerin war Kontoinhaberin und als solche berechtigt, auch in dieser Höhe, abzuheben. Der Schaden entstand hier auch nicht mit der eigentlichen Bargeldabhebung, sondern erst mit der Weitergabe des Geldes an den nichtberechtigten vermeintlichen Gerichtskassenmitarbeiter. Der innere Beweggrund der Klägerin für die Abhebung des Geldes ist gerade nicht nach außen hervorgetreten und war damit für die Beklagte auch nicht erkennbar. Es würde die Prüf-, Warn- und Schutzpflichten von Kreditinstituten bei weitem überspannen, wollte man ihnen abverlangen, jede, und sei es erstmalige, Abhebung eines hohen Bargeldbetrages durch einen älteren, nervös wirkenden Menschen auf Plausibilität zu überprüfen.
+49 3681 362-114