Unwirksamkeit der Wartezeitkündigung eines schwerbehinderten Menschen bei fehlendem Präventionsverfahren
Arbeitgeber sind verpflichtet, auch innerhalb der sogenannten Wartezeit nach § 1 Absatz 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG), §§ 173 Absatz 1, 168 Sozialgesetzbuch (SGB) IX, in der ein schwerbehinderter Mensch noch keinen Kündigungsschutz genießt, ein Präventionsverfahren nach § 167 Absatz 1 SGB IX durchzuführen. Dies entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln mit Urteil vom 12.09.2024, Az. 6 SLa 76/24.
Sachverhalt:
Der 1984 geborene Kläger verfügt über einen Grad der Behinderung von 80 und war bei der beklagten Kommune seit dem 01.01.2023 im Bauhof beschäftigt. Am 22.06.2023 kündigte die Beklagte dem Kläger innerhalb der Probezeit, ohne zuvor ein Präventionsverfahren durchgeführt zu haben. Das Präventionsverfahren nach § 167 SGB IX stellt ein kooperatives Klärungsverfahren dar, das Arbeitgeber unter Beteiligung internen und externen Sachverstandes (Schwerbehindertenvertretung, Integrationsamt, Rehabilitationsträger) durchführen müssen, wenn der Arbeitsplatz eines schwerbehinderten Arbeitnehmers gefährdet ist. Unterlässt der Arbeitgeber die Durchführung des Präventionsverfahrens, kann dies zur Unwirksamkeit der Kündigung führen. Denn in einem solchen Fall wird vermutet, dass der Arbeitgeber den schwerbehinderten Arbeitnehmer wegen des nicht durchgeführten Präventionsverfahrens diskriminiert hat. Das Arbeitsgericht gab der Kündigungsschutzklage statt. Die Berufung der Beklagten vor dem LAG wurde abgewiesen, die Revision wurde zugelassen.
Gründe:
Entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ist der Arbeitgeber verpflichtet, bei auftretenden Schwierigkeiten bereits innerhalb der ersten sechs Monate eines Arbeitsverhältnisses ein Präventionsverfahren durchzuführen. Die vom BAG vorgenommene zeitliche Begrenzung ergibt sich weder aus dem Wortlaut der Vorschrift, noch stützt eine Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen dieses Ergebnis. Wegen der auch vom BAG angenommenen strukturellen Probleme, ein Präventionsverfahren vor Ablauf der ersten sechs Monate (Probezeit) zum Abschluss zu bringen, hat das LAG für diese Sonderkonstellation aber eine Beweiserleichterung zugunsten des Arbeitgebers vorgenommen, um die Wartezeitkündigung gegenüber einem schwerbehinderten Menschen nicht faktisch vollständig auszuschließen. Da die beklagte Kommune vorliegend jedoch widerlegen konnte, dass sie dem Kläger wegen der Schwerbehinderung gekündigt hatte, führte die Tatsache, dass hier kein Präventionsverfahren durchgeführt wurde, nicht zur Unwirksamkeit der Probezeitkündigung des Klägers. Die Kündigungsschutzklage des Klägers war daher abzuweisen.
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