Die Selbständigkeit des Unternehmers
Sieben von zehn Mitgliedern der IHK Südthüringen haben keine Beschäftigten und bearbeiten selbständig Aufträge von Dritten. Wirklich selbständig? Diese böse Frage ist neu aufgekommen nach einer Besprechung des GKV-Spitzenverbandes, der Deutschen Rentenversicherung Bund und der Bundesagentur für Arbeit über Fragen des gemeinsamen Beitragseinzugs., die am 4. Mai 2023 stattgefunden hat. Auslöser war ein Urteil des Bundessozialgerichts vom 28. Juni 2022, in dem die selbständige Tätigkeit einer Klavierlehrerin in einer Musikschule abschlägig bewertet wurde.
Direkt betroffen ist der Bildungsbereich (Bildungsträger, Hochschulen, Musikschulen, Volkshochschulen), doch lassen sich die Ableitungen aus dem Urteil direkt auf andere Branchen wie die Veranstaltungswirtschaft, Grafiker, Designer, Texter, IT-Berater, Programmierer und Softwareentwickler, medizinische Kräfte, handwerkliche Tätigkeiten und vieles weitere Branchen und Berufsbilder übertragen. Große Bildungsträger beschäftigen inzwischen mitunter auf Sozialrecht spezialisierte Anwaltskanzleien, damit sich die Subunternehmer nicht plötzlich und unerwartet in einem Angestelltenverhältnis wiederfinden.
Mit Blick auf Lehrtätigkeiten wertet der GKV-Spitzenverband verschiedene Indizien (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) als Kriterien für eine abhängige Beschäftigung, die jeder wiedererkennt, der in diesem Bereich Bildungsangebote beauftragt oder als Selbständiger erbringt:
- Vorgabe von "Eckpunkten" des jeweiligen "Einsatzauftrags" wie dessen Beginn und Ende, Unterrichtszeiten nach einem Stundenplan und Unterrichtsort (bestimmte Räume) und "grober" Inhalt der Tätigkeit;
- Kontrolle des Leistungsstands der Schüler;
- Ausrichtung des Bildungsträgers auf die Erlangung staatlich anerkannter Abschlüsse
- Verpflichtung zur Vorbereitung und Durchführung gesonderter Schülerveranstaltungen
- Vorgabe eines Lehrplans mit Lernzielen und -inhalten
als nicht ausreichend wird die eigene Gestaltung des Unterrichts auf Basis von Lehrplänen als Rahmenvorgaben eingeschätzt; - „selbständige“ Lehrkraft hat verglichen mit angestellten Lehrkräften keine ins Gewicht fallende Freiheit hinsichtlich Gestaltung und Umfang der Arbeitsleistung;
- Einsatz eigener Arbeitsmittel nur in geringem Umfang;
- Pflicht zur persönlichen Arbeitsleistung
keine Vergabe an Dritte oder eigene Angestellte, also keine unternehmerische Disposition; - Ausfallhonorar bei Nichterscheinen von Schülern;
- Meldung von Unterrichtsausfall aufgrund von eigener Erkrankung/Verhinderung;
- Teilnahme an Gesamtlehrer- und Fachbereichskonferenzen.
Im Umkehrschluss können Tätigkeiten als selbständig gelten, wenn oben genannte Kriterien nicht erfüllt sind.
Nicht mehr ausschlaggebend für die Statusbeurteilung sind folgende Kriterien:
- Bezeichnung der Verträge als "Honorarvertrag";
- schriftliche Fixierung, dass ein Arbeitsverhältnis durch die Vereinbarung nicht begründet wird;
- ob die Tätigkeit als Haupterwerbsquelle oder im Nebenerwerb ausgeübt wird und ob es sich um kurzfristige und seltene Arbeitseinsätze oder um eine verstetigte Geschäftsbeziehung handelt;
- Ausschluss von Urlaubs- oder Entgeltfortzahlungsansprüchen.
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