Rahmenbedingungen erschweren profitables Wirtschaften

Konjunkturbericht Frühsommer 2023 der IHK Südthüringen

In den Unternehmen ist die nackte Angst vor unbezahlbarer Energie einer schlechten Stimmung gewichen. Teile des Dienstleistungsbereichs und der Industrie suchen noch nach Antworten zum Umgang mit den gestiegenen Kosten. Die ständig zunehmenden Belastungen aus der laufenden Gesetzgebung behindern zunehmend Geschäftsmodelle, die vor der Zeitenwende gut funktioniert haben. Diese Ergebnisse liefert die Konjunkturumfrage Frühsommer 2023 der Industrie- und Handelskammer (IHK) Südthüringen.

Der Konjunkturklimaindikator, ein geometrischer Mittelwert aus der Lagebeurteilung und den Erwartungen der Unternehmen, steigt im Vergleich zur letzten Umfrage zu Beginn des Jahres um 14 Punkte und erreicht nun 89 von 200 möglichen Punkten. Vor einem Jahr waren es sechs Punkte weniger. Mit einem Wert unter 100 Punkte überwiegen die wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Die IHK Südthüringen erwartet in diesem Jahr bestenfalls eine wirtschaftliche Stagnation, auch ein leichter Rückgang des Bruttoinlandsprodukts ist nicht ausgeschlossen.

„Die Zeitenwende zwingt die Politik zur Neujustierung der wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen in Deutschland. Viele aktuelle Regulierungen erfolgen jedoch ohne klares Regelungsbedürfnis. In einem ersten Aufschlag wurde mit der Anhebung des Mindestlohns und der Verkündung der Inflationsausgleichsprämie massiv ins bestehende Lohngefüge eingegriffen. Seither werden im Eilverfahren neue Belastungen geschaffen, dass einem bereits von der schieren Menge an Gesetzen ganz schwindelig wird: Gesetz zur Stärkung der Aus- und Weiterbildungsförderung, Energieeffizienzgesetz, EU-Neuregelung zu Lieferung, Kinder-Lebensmittel-Werbegesetz, Kartellgesetz, Gebäudeenergiegesetz, Familienstartzeitgesetz, Hinweisgeberschutzgesetz, Einführung einer E-Rechnungspflicht im B2B-Bereich“, erklärt Dr. Ralf Pieterwas, Hauptgeschäftsführer der IHK Südthüringen.

Weiterhin erhebliche Risiken
Derzeit bewerten 32 Prozent der Unternehmen ihre Geschäftslage als gut und 45 Prozent als saisonüblich bzw. befriedigend. Im Vergleich zu den letzten Umfragen zeigen sich die Unternehmen erleichtert, dass die schlimmsten Befürchtungen nicht eingetreten sind. Es bestehen jedoch weiterhin erhebliche Risiken für die weitere wirtschaftliche Entwicklung. Daher gehen lediglich 11 Prozent davon aus, dass es in den kommenden Monaten weiterhin aufwärts geht. 51 Prozent erwarten eine gleichbleibende Entwicklung und 38 Prozent eine Verschlechterung.

Wesentliche Risiken für die wirtschaftliche Entwicklung bilden die Energiepreise, wie 73 Prozent der Unternehmen angeben. Es folgen Fachkräfteengpässe mit 62 Prozent, Arbeitskosten mit 56 Prozent, die Inlandsnachfrage mit 52 Prozent, die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen und die Rohstoffpreise mit jeweils 51 Prozent. Im überregionalen Kontext bereiten die Versorgungslage mit Gas im kommenden Winter und die weitere Entwicklung am Finanzmarkt Sorge.

Angesichts der bestehenden Unsicherheit fällt der Anteil der Unternehmen, die in nächster Zeit Investitionen planen, mit einem Anteil von 72 Prozent gering aus. Vor einem Jahr waren es drei Prozentpunkte mehr. Die Unternehmen wollen vor allem in Ersatz und Modernisierungen investieren. Die Beschäftigungserwartungen fallen negativ aus. Aufgrund des demografischen Wandels fällt es zunehmend schwer, freiwerdende Stellen wieder zu besetzten. 19 Prozent der Betriebe rechnen mit kleiner werdenden Belegschaften, nur 8 Prozent erwarten Steigerungen der Mitarbeiterzahl.

Blick in die Branchen: Differenziertes Bild in der Industrie und im Dienstleistungssektor
In der Industrie melden 28 Prozent der Unternehmen eine verbesserte Auftragslage, für weitere 34 Prozent ist sie unverändert. Jeder dritte Industriebetrieb arbeitet am Rande der Kapazitätsgrenze, weitere 28 Prozent erreichen zumindest die Normalauslastung. In den kommenden Monaten wird jeder zweite Betrieb Preissteigerungen vornehmen, um der Kostenentwicklung zu begegnen. 83 Prozent planen Investitionen. Neben Ersatzinvestitionen stehen für 36 Prozent Rationalisierungsinvestitionen an, für 24 Prozent Ausgaben für Forschung und Entwicklung und für 19 Prozent Kapazitätserweiterungen. Mit einer Vergrößerung des Personalbestands rechnen 13 Prozent, 17 Prozent erwarten hingegen einen Rückgang. Das Bild in der Industrie ist geteilt. Überwiegend gute Stimmung herrscht in den Bereichen Elektronik und Kunststoffherstellung. Die Stimmung im Maschinenbau und in der metallverarbeitenden Industrie entspricht dem Branchendurchschnitt. In allen anderen Wirtschaftszweigen ist die Stimmung erheblich schlechter.

Die Nachfrage nach Bauleistungen ist derzeit verhalten. Das Baugewerbe ist nach wie vor mit Preissteigerungen konfrontiert, die es versucht, an die Kunden weiterzugeben. Durch gestiegene Kosten der Baufinanzierung halten sich die Kunden jedoch mit neuen Aufträgen zurück. So wird der Auftragsvorlauf abgearbeitet. Er beträgt für 45 Prozent der Baufirmen mehr als vier Monaten und für 36 Prozent zwei bis drei Monaten. Für 19 Prozent reichen die Aufträge maximal einen Monat. In den kommenden Monaten werden lediglich 65 Prozent investieren. Im Personalbereich geht jeder fünfte Betrieb von kleiner werdenden Belegschaften aus, Zuwächse werden kaum erwartet.

Lohn- und Rentensteigerungen steigern den Konsum, Inflation führt zu verstärkten Abwägungen und weniger Spontankäufen. Für den Handel ist dies fatal. Zwar melden 22 Prozent der Unternehmen Umsatzsteigerungen, doch 45 Prozent mussten einen Rückgang verbuchen. In den kommenden Monaten rechnen zwei von drei Betrieben mit weiteren Umsatzverlusten. Daher halten sie sich mit Investitionen zurück. Lediglich 60 Prozent der Händler planen Investitionen. Im Personalbereich gehen 85 Prozent von gleichbleibenden Mitarbeiterzahlen aus.

Neben zunehmender Bürokratie für alle Branchen bestehen etliche weitere Regelungen für das Verkehrsgewerbe. Daher betrachten 87 Prozent der Fuhrunternehmer die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen als Risiko. Für jedes zweite Unternehmen hat sich zuletzt das Beförderungsvolumen verringert. Drei von vier Betrieben gehen davon aus, dass diese Entwicklung auch weiter anhält. 44 Prozent wollen daher mit Preissenkungen reagieren, obwohl für sie selbst die Kosten steigen. Dafür fehlen die Mittel im Fall von Investitionen. Zugleich geht jeder zweite Betrieb von weiteren Personalverlusten aus.

Das Gastgewerbe registriert mehr Umsatz mit Geschäftsreisenden und weniger mit dem heimischen Publikum. 70 Prozent der Betriebe arbeiten profitabel oder kostendeckend. Sorge bereitet, dass 30 Prozent Verluste machen. In den kommenden Monaten wollen 57 Prozent der Unternehmen den gestiegenen Kosten mit Preissteigerungen begegnen, weitere 36 Prozent lassen die Preise unverändert. Die Investitionsplanungen fallen zurückhaltend aus. Der Personalbestand soll in zwei von drei Betrieben stabil bleiben. 29 Prozent erwarten einen Rückgang,

Für 21 Prozent der Dienstleister hat sich die Auftragslage verbessert, für 58 Prozent blieb sie unverändert. Zugleich verbesserte sich für 23 Prozent der Umsatz, für 49 Prozent ergab sich keine Veränderung. In den kommenden Monaten planen drei von vier Betrieben Investitionen, darunter 18 Prozent für Innovationen und 15 Prozent Betriebserweiterungen. Im Personalbereich ist weitgehend mit Stabilität zu rechnen. Unter den Dienstleistern herrscht besonders gute Stimmung in den Bereichen freiberufliche, wissenschaftliche und technische Dienstleistungen, Information und Kommunikation sowie sonstige wirtschaftliche Dienstleistungen.

Zur Information:
Die Konjunkturumfrage der IHK Südthüringen fand vom 27. März bis 25. April 2023 statt. Befragt wurden rund 900 Südthüringer Unternehmen aller Branchen.

Weitere Ergebnisse und Branchenauswertungen enthält der ausführliche Konjunkturbericht Frühsommer 2023 der IHK Südthüringen unter www.suhl.ihk.de/konjunktur.

Suhl, 12. Mai 2023

Dr. Jan Pieter Schulz
Dr. Jan Pieter, Schulz
Referent Volkswirtschaft

Telefon +49 3681 362-406

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