Versorgungssicherheit
Was können Unternehmen vom Netzbetreiber erwarten? Was müssen Unternehmen im eigenen Unternehmen beachten?
Laut Statistischem Bundesamt betrug die Länge der Versorgungsunterbrechungen je Stromverbraucher in Deutschland im Jahr 2023 jede Verbraucher im Durchschnitt 12,8 Minuten, davon 10,38 Minuten auf der Mittelspannungsebene. Allerdings werden in den Statistiken nur Stromausfälle mit mehr als drei Minuten erfasst. In der unternehmerischen Praxis sorgen jedoch auch kurzzeitige Stromausfälle und sogar Spannungseinsenkungen – die Versorgung ist hier nicht unterbrochen – für Ausfälle von Maschinen und Anlagen.
Laut einer Umfrage der IHK-Organisation aus dem Jahr 2024 ist die Bedeutung von Stromausfällen für die Unternehmen erheblich: 42 Prozent der antwortenden Betriebe hatten in 2023 kurze Stromausfälle unter drei Minuten, in der Industrie sogar die Hälfte der Befragten. Knapp ein Drittel (28 Prozent) hatten Stromausfälle, die über drei Minuten andauerten, in der Industrie geringfügig mehr (29 Prozent). Die genauen Ursachen der Stromausfälle sind bei den Betroffenen häufig nicht bekannt. Im Folgenden sollen einige Aspekte der Versorgungsicherheit diskutiert werden.
Die Versorgungsqualität der elektrischen Energieversorgung umfasst nach FNN-Hinweis “Störfestigkeit im Zusammenspiel” drei Säulen
- Servicequalität: Qualität der Geschäftsvorgänge vor und während der Vertragslaufzeit
- Versorgungszuverlässigkeit: Anzahl und Dauer der Versorgungsunterbrechungen
- Spannungsqualität: Eigenschaften von Stromstärke, Spannung und Frequenz
Versorgungszuverlässigkeit
Die Netzbetreiber haben die in der DIN EN 50160 “Merkmale der Spannung in öffentlichen Verteilnetzen” definierten Grenzen einzuhalten, z. B.:
Merkmal | Anforderungen | Messintervall | Beobachtungszeitraum |
Frequenz | 50 Hz ±1% für 99,5% aller Messwerte 50 Hz +4%/-6% für 100% aller Messwerte | 10 s-Mittelwert | 1 Jahr |
Langsame Spannungsänderungen | Uc ±10% für 99 % aller Messwerte Uc ±15% für alle Messwerte | 10 min-Mittelwert | 1 Woche |
Flickerstärke | Plt≤1 während 95% eines beliebigen Wochenintervalls | 2 h | 1 Woche |
Unsymmetrie | UGS/UMS2% während 95% eines beliebigen Wochenintervalls | 10 min-Mittelwert | 1 Woche |
Oberschwingungen | THD≤8% | 10 min-Mittelwert | 1 Woche |
Versorgungsunterbrechungen können durch verschiedene Einflüsse verursacht werden. Keinen Einfluss hat der Netzbetreiber beispielsweise bei
- Vandalismus: in letzter Zeit waren Trafostationen Ziel von Diebstählen
- Wettereinflüssen, insbesondere Gewitter, Eisregen, starke Stürme mit umstürzenden Bäumen
- Beschädigung durch Bauarbeiten, v.a. Baggerarbeiten
Die Netzbetreiber treffen jedoch technische und organisatorische Maßnahmen, um eine hohe Versorgungszuverlässigkeit herzustellen, z.B. durch
- den stetigen Netzausbau und Instandhaltung
- Erdverkabelung besonders störanfälliger Freileitungsstrecken
- Ausholzung, z. B. geschädigter Bäume
- Planauskunft zur Vermeidung von Störungen während des Baugeschehens → Planauskunftsportal der TEN
Spannungsqualität
Gerade die Spannungsqualität ist neben der Versorgungszuverlässigkeit ein entscheidendes Kriterium für Unternehmen und ein sicherer Betrieb der elektrischen Anlagen funktioniert nur im Zusammenspiel zwischen Netzbetreiber und Stromkunde zuverlässig.
Auf der Kundenseite des sogenannten Netzverknüpfungspunktes - dort wo Wohngebäude, Gewerbe und Industrie angeschlossen sind - müssen aber ebenfalls Anforderungen eingehalten werden. So steht jedem Anschlussnehmer - bemessen an seiner Anschlussleistung - nur ein gewisses Maß an Netzrückwirkungen zu, die er ins Versorgungsnetz emittieren darf. Dies ist von hoher Bedeutung, denn durch den verstärkten Einsatz von Leistungselektronik in den Unternehmen sinkt einerseits die Störfestigkeit und andererseits nimmt die Störaussendung zu. In den technischen Anschlussregeln der VDE-AR-N 41xx-Reihe sind die technischen Anforderungen für Planung, Errichtung und Betrieb sowie Anschluss von elektrischen Anlagen an die verschiedenen Netzebenen (Nieder-, Mittelspannung) festgelegt, die eingehalten werden müssen, um die maximal zulässigen Netzrückwirkungen einhalten zu können. Außerdem müssen die Normen der IEC 61000-x-x-Reihe zur elektromagnetischen Verträglichkeit eingehalten werden.
Für verschiedene Geräteklassen stehen DIN-Normen zur Verfügung, in denen Grenzwerte für die Störaussendung bzw. die Störfestigkeit definiert sind, z. B.:
Geräteklasse | Störaussendung | Störfestigkeit |
Beleuchtung | DIN EN IEC 55015 | DIN EN IEC 61547 |
Kommunikationsgeräte | DIN EN 50561 | DIN EN 55035/A11 |
Drehzahlveränderbare elektr. Antriebssysteme | DIN EN IEC 61800-3 | DIN EN IEC 61800-3 |
Fazit
Entsprechend der geltenden Normen und Richtlinien können auch bei einem Einhalten der zulässigen Grenzwerte auf der Netzseite Betriebsunterbrechungen bzw. Schäden an Maschinen und Anlagen von Unternehmen auftreten. Beispielsweise kann das Anlaufen eines Motors zu einem Spannungseinbruch führen, der dann zu Geräteabschaltungen und in der Folge zu Produktionsausfällen, Datenverlust etc. führen kann. Für weiterführende Hinweise, wie Unternehmen selbst für einen möglichst unterbrechungsfreien Betrieb sorgen können, siehe nachstehenden Reiter.
Durch die fortschreitende Automatisierung und Digitalisierung werden Produktionsabläufe störanfälliger, denn Anlagensteuerungen oder Frequenzumrichter reagieren relativ sensibel auf Änderungen der elektrischen Parameter (Stromstärke, Spannung und Frequenz). Maschinen und Anlagen, z. B. Beleuchtungssysteme, Informations- und Kommunikationstechnik, Frequenzumrichter von Pumpen, Motoren aber auch Wechselrichter von Photovoltaikanlagen, sollten die Norm, die für die entsprechenden Geräteklasse gültig ist, einhalten. In der Praxis ist dies allerdings nicht immer der Fall - was dann zu Produktionsausfällen und teilweise auch Anlagenschäden mit entsprechend hohen Kosten führt. Hinweise, wie störungsfreie Produktionsabläufe sichergestellt werden können, gibt unter anderem der FNN-Hinweis des VDE “Störfestigkeit im Zusammenspiel von Kundenanlagen und Elektrizitätsnetzen”.
Beispielsweise können beim Einschalten von Motoren Spannungseinbrüche auftreten, da sich der Strom beim Anlaufen des Motors kurzzeitig erhöht. Die dabei auftretenden hohen Ströme können auf Dauer zu einer Schädigung bzw. zu einem Ausfall des Frequenzumrichters führen. Auch Oberschwingungen aus Stromrichtern, Kurzschlüsse, fehlerhafte Betriebsmittel oder Fehlschaltungen können zu Störungen führen.
Netzrückwirkungen aus Unternehmen in das Stromnetz werden mit dem “E.2 Datenblatt zur Beurteilung von Netzrückwirkungen” des VDE beurteilt.
Was können Unternehmen tun?
- Anschaffung von Geräten, Anlagen und Maschinen, welche die Normen zuverlässig einhalten
- unternehmenseigene Anlagen elektrisch prüfen lassen und optimieren, z. B. Einschaltdämpfung zur Reduktion von Einschaltströmen bei Motoren und Kondensatoren
- Störungen an den Netzbetreiber melden und das weitere Vorgehen zur Ursachenermittlung vereinbaren, im Gebiet der TEN deren Netzkoordinatoren kontaktieren
- Messungen der Spannungsqualität vornehmen lassen - kurzzeitig, z. B. über den Netzbetreiber oder bei Bedarf längere Messungen über Dienstleister, z. B. einen Elektrofachbetrieb oder Energieberater
- vor Baumaßnahmen Leitungsführungen ermitteln, z. B. mit dem Planauskunftsportal der TEN (Strom, Erdgas)
- Vorsorge treffen, z. B. mit Spannungsstabilisatoren oder USV-Anlagen (Unterbrechungsfreie Stromversorgung)
Fazit
Erhöhte Anforderungen an die Spannungsqualität durch Einsatz von SPS-Anlagen, Frequenzumrichtern, Maschinensteuerungen, Computertechnik etc. gehen mit erhöhter Eigenverantwortung einher.

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Am 23. April 2025 hat die IHK Südthüringen das Thema Versorgungssicherheit im Forum E in den Fokus genommen. Hier gelangen Sie zu den Vorträgen der Referenten: