Mit kaufmännischer Vorsicht und großer Sorge vor unbesonnener Embargopolitik

Konjunkturbericht Frühsommer 2022 der IHK Südthüringen

Die Geschäftslage ist so gut wie zuletzt vor drei Jahren, doch für viele Unternehmen sind die nächsten Monate schwer absehbar. Die geopolitischen Entwicklungen lassen eine ungünstigere Entwicklung erwarten. Diese Herausforderung spiegelt die aktuelle Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK) Südthüringen wider. Darüber hinaus prägen steigende Kosten das Geschehen in den Unternehmen. Täglich sind weitreichende Entscheidungen erforderlich, um die Unternehmen und die damit verbundenen Arbeitsplätze sicher durch unruhige Zeiten zu führen. Gerade deshalb verstärken die aktuellen Aussagen des Ministerpräsidenten Bodo Ramelow zu hinzunehmenden Verlusten von tausenden Arbeitsplätzen in der Glasindustrie die Unsicherheit der Wirtschaft.

Steigende Einkaufspreise für Rohstoffe, Vorprodukte und Energie prägen das Bild seit der Pandemie. Vieles ist nicht mehr planbar, seit regelmäßige Lockdowns Seehäfen über Wochen blockieren und wichtige Teile verspätet in den heimischen Betrieben eintreffen. Durch den russischen Krieg in der Ukraine hat die Planbarkeit weiteren Schaden genommen.

Das aktuelle Umfeld erscheint jedoch händelbar. Die politischen Corona-Beschränkungen sind weitgehend gefallen, auch wenn neue Omikron-Varianten nach wie vor zu hohen Krankenständen in den Unternehmen führen. Daher hat sich die Geschäftslage vielfach verbessert. 37 Prozent der Unternehmen betrachten ihre Lage als gut und 41 Prozent als saisonüblich oder befriedigend.

Kaufmännische Vorsicht gebietet jedoch die Annahme, dass sich die nächsten Monate ungünstiger entwickeln werden. Alles andere wäre fahrlässig angesichts des politischen Rückfalls in die Rhetorik des Kalten Krieges. Nur jedes zweite Unternehmen erwartet in den kommenden Monaten bessere oder gleichbleibende Geschäfte. Getrieben von den Geschäftserwartungen sinkt der Konjunkturklimaindikator als geometrisches Mittel aus Lage- und Erwartungseinschätzungen gegenüber der Umfrage zu Jahresbeginn um vier Punkte auf 83,0 von 200 möglichen Punkten.

Hohe Investitionsneigung trotz gedämpfter Geschäftserwartungen
„Bleibt alles so, wie es jetzt ist, dann befindet sich die Wirtschaft im Aufschwung. Zwar sind die meisten Unternehmen mit steigenden Preisen für Vorprodukte, Energie, Arbeitskräfte und bald vielleicht auch Fremdkapital konfrontiert, doch bisher gelingt es vielen, diese an ihre Kunden weiterzugeben. Die Risiken sind hoch, doch wir erleben im Umfeld der Umfrage auch Unternehmer, die voller Optimismus ihre Betriebe erweitern und neue Produktlinien eröffnen. In der Tat: Der politische Kurs in Richtung Embargo von Energieträgern ist für die Wirtschaft unmissverständlich. Inwieweit sich das nachhaltig auf die Wirtschaft auswirken wird, ist davon abhängig, ob die Politik bei der Durchsetzung der Embargos so viel Besonnenheit zeigen wird, dass es nicht zu Versorgungsausfällen kommen wird“ erklärt Dr. Ralf Pieterwas, Hauptgeschäftsführer der IHK Südthüringen.

Daher planen trotz Unsicherheit drei von vier Unternehmen Investitionen. Hierbei stehen Modernisierungs- und Ersatzinvestitionen im Vordergrund. Diese Unternehmen treibt der Ausblick, dass sie langfristig von der Entscheidung profitieren werden. 27 Prozent planen außerdem Projekte, deren Realisierung die Kosten senkt, und 17 Prozent planen Erweiterungsinvestitionen. In der Industrie sind sogar in jedem dritten Betrieb Kapazitätserweiterungen vorgesehen. Gründe hierfür sind die erreichte Vollauslastung, neue Produktionslinien und Standortverlagerungen.

Daher verbessern sich auch die Beschäftigungserwartungen. Vor allem Industrie, Gastgewerbe und Dienstleister sind zuversichtlich, trotz des zunehmenden Ausscheidens der geburtenstarken Jahrgänge die Zahl der Mitarbeiter zu steigern.

Wesentliche Risiken bilden die steigenden Kosten in allen Bereichen und die zunehmend schwierige Personalgewinnung. Die Energiepreise stellen für 80 Prozent der Unternehmen ein Risiko dar, die Preise für Rohstoffe und Vorprodukte für 75 Prozent, die Fachkräfteengpässe für 58 Prozent und die Arbeitskosten für 53 Prozent. Dagegen hat das bisherige Hauptrisiko des Corona-Virus mit einem Anteil von 41 Prozent an Bedeutung verloren.

Konjunkturklima kühlt sich auch im Freistaat ab
Die Stimmung in der Thüringer Wirtschaft kühlt sich ab. Branchenübergreifend bewerten zwar 77 Prozent der Unternehmen, die sich im Frühjahr 2022 an der Konjunkturumfrage der drei Thüringer Industrie- und Handelskammern beteiligt haben, ihre aktuelle Geschäftslage noch mit gut oder befriedigend. Der Blick auf die nächsten Monate fällt jedoch deutlich verhaltener aus. Lediglich 14 Prozent erwarten eine Verbesserung der Situation, 43 Prozent rechnen dagegen mit einer ungünstigeren Entwicklung. So bleibt der Konjunkturklimaindex mit 89 Punkten im Vergleich zum Jahresbeginn (90 Punkte) nahezu unverändert niedrig. Der langjährige Durchschnitt beläuft sich auf 109 Punkte.

Als größtes Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung ihres Unternehmens sehen 87 Prozent der Firmenchefs die enorm steigenden Energie- und Rohstoffpreise gefolgt vom Fachkräftemangel und den wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen mit jeweils 58 Prozent. Auf dem Arbeitsmarkt haben die erschwerten Rahmenbedingungen bislang kaum Auswirkungen gezeigt. 13 Prozent der Firmen wollen ihr Personal aufstocken, 76 Prozent den derzeitigen Mitarbeiterbestand konstant halten und 11 Prozent müssen Stellenkürzungen einkalkulieren. Auch in Bezug auf die Investitionen sind bisher keine großen Abbrüche erkennbar. 75 Prozent der Thüringer Unternehmen planen in den nächsten zwölf Monaten Investitionen.

Hinweis: Die Angaben basieren auf einer repräsentativen Unternehmensbefragung, welche die Thüringer IHKs im April 2022 durchgeführt haben.

Suhl, 12. Mai 2022

Dr. Ralf Pieterwas
Hauptgeschäftsführer

Telefon +49 3681 362-301

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Dr. Jan Pieter Schulz
Dr. Jan Pieter, Schulz
Referent Volkswirtschaft

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